Remaraweng Boarisch

Aussprache - Abriss der bairischen Grammatik

Teil I - Lautlehre

 

   von Prof. Ludwig Zehetner

 

 Abriss der bairischen Grammatik

Teil I: Lautlehre

 (Aussprache, Phonologie)

 

  

Einleitung

 

Lautlehre (Phonologie) hat mit den Buchstaben nur insoweit etwas zu tun, als die Laute mit­tels Buchstaben in die Schrift umgesetzt werden. Als grundsätzlich mündlich gebrauchte For­men der Sprache sträuben sich alle Mund­arten von Natur aus gegen eine Fest­­legung in schrift­licher Form; eine „Dialekt-Orthographie“ ist nicht erstrebenswert. Alle, die sich an­schicken, mundartliche Lautung schriftlich zu fixieren, stehen vor dem Problem, dies in ein­deutiger und konsequenter Weise zu tun, um den Dialekt-Klang möglichst exakt zu ver­ge­gen­wärtigen.

Die heutige Hochsprache und deren Orthographie-System als Ausgangspunkt für die Dar­stellung der bairischen Laute zu wählen, erscheint wenig sinnvoll, und zwar aus dem ein­fa­chen Grund, weil sich das Bairische in vielfacher Hinsicht nach anderen Gesetzmäßigkeiten ent­­wickelt hat als die Hochsprache (siehe dazu § 3). Es wird bewusst der Ter­minus „Hoch­­­sprache“ verwendet – und nicht „Hochdeutsch“, „Standarddeutsch“ oder „Ein­heits­­­sprache“; denn die­se Bezeichnungen können zu Missverständnissen führen. Bairisch und Hoch­­deutsch stellen keine unüberbrückbaren Gegensätze dar – Bairisch ist auch Deutsch! –  und sprach­geo­gra­phisch betrachtet, ist das Bairi­sche ein „hochdeutscher“ Dialekt (im Ge­gen­satz zum Nieder­deutschen); es existieren mehrere re­gionale Standards des Deutschen, und eine deutsche „Ein­heitssprache“ gibt es streng ge­nom­men überhaupt nicht. Das Deutsche ist charakterisiert durch seine regionale Vielfalt, auch auf hochsprachlicher Ebene, Deutsch ist eine eindeutig „plurizentrische Sprache“.

Die bairischen Laute sind in Gruppen zusammengefasst, zuerst kommen die Vokale, dann die Konsonanten. Erstere sind unterteilt in Monophthonge (einfache Vokale, §§ 8 – 9), Diphthonge (Zwielaute, §§ 10 – 11) und Nasalvokale (§ 12); es folgen einige Bemerkungen zu unbetonten Silben (§ 13). Die Konsonanten sind nach artikulatorischen Merkmalen zu Gruppen zusammengefasst: Verschlusslaute (§ 14.1) – Reibelaute (§ 14.2) – Nasale, Liqui­den, Halbvokale (§ 14.3). Als § 15 folgt ein Kapitel zu ungewöhnlichen Konsonanten­verbindungen wie z.B. „gschtr“ am Wortanfang oder „chzg“ am Wortende.

Keines der in der Sprachwissenschaft üblichen Transkriptionssysteme (Teuthonista, IPA u. dgl.) findet Anwendung. Die Schreibung bedient sich des normalen lateinischen Al­pha­bets, er­gänzt durch einige Zusatzzeichen (Diakritika), die in § 7 erklärt sind.

Für die Benutzer mag es hilfreich sein, in der ersten Spalte die hochsprachlichen Ent­spre­­chungen der bairischen Laute zu finden. Die gesamte Anordnung erfolgt jedoch nach Maß­­gabe der Laute des Bairischen. Die Nummerierung der bairischen Laute erleichtert Vor- und Rückverweisungen.

 

 

 

Dieser kleine Bairisch-Kurs steht unter der Überschrift

Remmaraweng Boarisch,

in die Hochsprache übersetzt: „Reden wir ein wenig Bairisch!“ – oder, eher der nördlichen Idi­o­­matik entsprechend: „Lasst uns ein wenig Bairisch sprechen!“

An diesem Beispiel kann eine Auswahl von Lautgesetzlichkeiten aufgezeigt werden, die im Folgenden erläutert werden.

 

Rem                  mar       a      weng        Boarisch

Reden 1, 2, 3, 4, 5  wir  6    ein     wenig 7     B 8ai 9 risch

 

1                  Wegfall von unbetontem e:  reden > redn (Elision, Synkope)

2                  Einschmelzung von d in das folgende n: dn > n (Totalassimilation)

3                  Angleichung des n an den Anfangslaut des Folgeworts: n-m > m (Assimilation)

4                  Bairisch mir „wir“, hier in der „Anhängsel-Form“ ma (Enklitikon)

5                  Kürzung des ursprünglich langen Vokals von reden vor Doppelkonsonant:

               remm (Silbenschnittwechsel, Fortis-Silbe)

6                  Vor dem vokalischen Anlaut der Artikelform a tritt das (ansonsten stumme)

               r wieder in Erscheinung (als Hiat-Tilger, „linking r“): mar-a

7                  Verlust der Silbenwertigkeit von -ig: wenig > weng (Assimilation)

8                  Das anlautende b ist stimmlos, nicht von p  zu unterscheiden (Halbfortis)

9                  Ahd./mhd. ei > oa: Bairisch > Boarisch

 

 

 

 

Abkürzungen:

 

Ahd., ahd.          = Alt-, althochdeutsch

Dim.                   = Diminutiv (Verkleinerungsform)

Hspr., hsprl.        = Hochsprache (überregionaler Standard), hochsprachlich

Komp.                = Komparativ (erste Steigerungsform)

Mhd., mhd.         = Mittel-, mittelhochdeutsch

Pl.                      = Plural (Mehrzahl)

Sg.                     = Singular (Einzahl)

*                        Mit Asterisk versehene Wörter sind in den bairischen Dialekten nicht geläufig.

   

©Copyright: Ludwig Zehetner

 

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 Seite zuletzt aktualisiert am 2. April 2006

 

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