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~
§ 14
14.1 Verschlusslaute (Plosive)
Hoch- sprache |
Bairisch |
Nr. |
Erläuterungen |
Beispiele Bairisch |
hochsprachliche Entsprechungen |
b „b, bb“ p „p, pp“ |
im Anlaut b |
|
Der Unterschied
zwischen b und p ist im Anlaut neutralisiert, d.h. es
tritt für beide gleichermaßen der stimmlose und unbehauchte „Halbfortis“-Konsonant
(s. dazu § 5) ein; dies gilt auch für Verbindungen wie bl/pl, br/pr, sp, spl, spr. |
bintn blòsn brenă Bleschl bàssn backă Bädă dăblèckă Blòòz Breiss Šbiiz Brooz šbreechă |
binden blasen brennen (Zunge) passen packen Peter (verspotten) Platz Preuß(e) Spitz (*Spitze) (Kröte) (Sprüche machen) |
in Lenis-Silben (Typ I in § 5): |
Abhängig vom
„Silbenschnitt“ (s. dazu § 6) tritt Schwächung (beim Silbentyp I) oder
Schärfung (beim Silbentyp II) ein. |
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im Auslaut b |
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Gròb Gòb grob gràb |
Grab Gabe grob (grau) |
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im Inlaut w (m) |
39 |
Liegt Silbentyp I
(langer Vokal) vor, werden b und
p zum Reibelaut w (Spirantisierung im Rahmen der
Konsonantenschwächung). |
Lewă Howĕ Schnòwĕ ă gèiwă lewĕ Làwă schäwăn grawĕn gràwĕn |
Leber Hobel Schnabel ein gelber lebe ich Laub (Plural) scheppern krabbeln (schimmeln) |
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|
Folgt ein n, tritt Lautangleichung ein, das b ist nicht mehr zu hören: bn > m (Totalassimilation;
siehe auch § 13.3). Bair.
šbeim, schneim liegt speiben, schneiben zugrunde (mhd. spîwen,
snîen). |
gem glàm drom fà(r)m šteam gšbiim |
geben glauben droben färben sterben *gespien |
||
in Fortis-Silben (Typ II in § 6): im In- und Auslaut p |
41 |
Liegt Silbentyp
II (kurzer Vokal) vor, wird der unbehauchte
Starklaut p (= bb) gesprochen. Ein folgendes n wird assimiliert: -pn > -pm. |
rumpĕn bumpăn Kàmpĕ Grippĕ Bàpp, Bàppa Dèpp Glump Opst Suppm Lampm Štempm koppm |
rumpeln pumpern (klopfen) (Kamm) Krüppel *Papa Depp (Unrat) Obst Suppe Lampe (Pfahl,
Pfosten) (rülpsen) |
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d „d, dd“ t „t, th, tt“ |
im Anlaut d |
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Die Konsonanten d und t werden im Anlaut und in den Verbindungen st, str gleichermaßen als stimmlose und
unbehauchte „Halbfortes“ (s. dazu § 5) gesprochen. |
Dorf, Doaf Dorf, Doaf Deifĕ dròng drent deia, deirig Dintn Dàss dreim Drummĕ Strizzi, Šdriizĕ |
Dorf Torf Teufel tragen (drüben) teuer Tinte Tasse treiben Trommel (Gauner) |
in Lenis-Silben (Typ I in § 6) im In- und Auslaut |
Abhängig vom
„Silbenschnitt“ (s. dazu § 6) tritt Schwächung (beim Silbentyp I) oder
Schärfung (beim Silbentyp II) ein. Liegt Silbentyp I
(langer Vokal) vor, erscheinen d
und t gleichermaßen als d (Konsonantenschwächung). |
heid Leid gscheid miid rod, roud ă rodă, roudă Hòdăn weidă Wedă |
heute Leute gescheit mit rot ein roter Hadern (Lappen) weiter Wetter, (Gewitter) |
||
(n) (l) |
43 |
Folgt ein n, tritt meist Lautangleichung ein, das d oder t ist nicht mehr zu hören: dn, tn > n (Totalassimilation), ländlich teilweise fină, gfună „finden, gefunden“. – Auch an ein
folgendes l kann angeglichen
werden: dl, tl > l, ll. |
reen schnein gschniin schòòn, Schòòn Schliin bèlln Bellmô Gnell Òòl |
reden schneiden geschnitten schaden, Schatten Schlitten betteln Bettelmann Knödel (Jauche) |
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in Fortis-Silben (Typ II in § 6) im In- und Auslaut t |
44 |
Liegt Silbentyp
II (kurzer Vokal) vor, wird der unbehauchte
Starklaut t (= dd) gesprochen. |
Loattă loatn Bitt bittn bàttn Hittn unt, untn bintn Hent Hunt mèitn |
Leiter (lenken) Bitte bitten beten Hütte unten binden Hände (auch Hand) Hunde (Plural) melden |
Hoch- sprache |
Bairisch |
Nr. |
Erläuterungen |
Beispiele Bairisch |
hochsprachliche Entsprechungen |
kl gl,
gel kr gr,
ger kn,
gen gef gem kw „qu“ gew ks
„x“ ges usw. |
im Anlaut gl gr gn gm gw gs gf |
45 |
Der Unterschied
zwischen g und k ist im gedeckten Anlaut, also bei g + Konsonant und k + Konsonant, neutralisiert, d.h. es tritt für beide gleichermaßen
der stimmlose und unbehauchte „Halbfortis“-Konsonant (s. dazu § 5) ein; vor
Vokal gilt diese Regel nicht. Hochsprachlich geh- wird zu gh- und klingt damit genau so wie k in der Normaussprache. Zu qu = gw siehe unten bei Nr. 61. |
glei Gleidl glôâ graislĕ Greiz gricht Gricht gnau, gnâû Gnia gnàrzn Gmias gwiis Gwèin Gsicht Gsod Xarĕ gfuntn |
gleich Kleid (Dim.) klein gräuslich Kreuz gerichtet Gericht genau Knie (knarren) Gemüse gewiss Quelle Gesicht (Häcksel) Xaver gefunden |
k, geh- ch |
gh = kh |
46 |
Vor Vokal wird
zwischen anlautendem g und k unterschieden; letzteres tritt als
behauchter Starklaut (aspirierter Fortis-Plosiv). Phonetisch gleich
ist das Ergebnis aus geh- nach Ausfall des unbetonten -e-. |
Kind Kirch, Kiachă kàm kemma er kimmt Kuchl, Kich Kooch ghoassn |
Kind Kirche kaum; (er) käme kommen er kommt Küche Koch; (Mus) geheißen |
In Süddeutschland und in der Schweiz wird anlautendes ch in bestimmten Wörtern wie k gesprochen – nicht als ch. |
Kemie Kina Kinees kinesisch Keam-/Kiimsee Kam |
Chemie China Chinese chinesisch Chiemsee Cham (Stadt) |
|||
ck |
ck = gg |
47 |
Im Silbeninneren
erscheint k, ck als unbehauchte Halbfortes (s. § 5). Der Unterschied zur Hochsprache besteht in der fehlenden Behauchung: nicht Zuckher, zurückh , sondern Zuckă, zruckh = Zuggă, zrugg. Dies gilt auch für
die Lautverbindung nk in
Fortissilben (s. dazu § 6). |
Zuckă druckă Gockl, Gickăl Buckl Štickl Hàckl, Hàckĕ Hàckăl Bàckăl, Bàckl |
Zucker (*drücken) (Hahn) Buckel (Rücken) Stücklein Hacke (Dim., Axt) (*Häkchen) (*Päckchen) |
nk ng -gen |
nk = ngg |
links Rankn Glenk blank |
links (Geländestufe) Gelenk blank |
||
ng |
48 |
In Lenissilben
unterliegt nk der Konsonantenschwächung;
es resultiert der Laut ng, für
welchen es keinen eigenen Buchstaben gibt. Basisdialektal fallen „gesunken“
und „gesungen“ in der Lautform gsunga zusammen.
|
dengă wingă gwungă gsungă dringă drungă Bàngĕ, Bàng-gl |
denken winken gewunken (*-winkt) gesunken trinken getrunken Bank (Dim.) |
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Im Konsonanten ng
fallen hochsprachlich ng und -gen zusammen. – Zu beachten ist,
dass auslautendes ng niemals als ngk gesprochen wird („Wohnung, Ding“ – nicht aber „Wohnungk, Dingk“). |
lengă singă glanga Schwung |
länger singen (*reichen) Schwung |
|||
Reeng Boong fliang ziang |
Regen Bogen fliegen (ziehen)
Angel (Stengel) Engel Bengel (Prügel) |
||||
Folgt einem ng ein l, so kann, mehr oder weniger deutlich, ein -g- als Sprosskonsonant auf treten: ng + g + l > ng٠gl (vgl. -nl > -ndl, § 13.4.3) |
Ang٠gl Šding٠gl Eng٠gl Beng٠gl |
14.2 Reibelaute (Frikative, Spiranten)
Hoch- sprache |
Bairisch |
Nr. |
Erläuterungen |
Beispiele Bairisch |
hochsprachliche Entsprechungen |
s ss ß |
s ss |
|
Im Silbenanlaut sind
die s-Laute nicht nur in den Dialekten, sondern auch in der
regionalen Hochsprache grundsätzlich stimmlos – im Gegensatz zur hochsprachlichen
(norddeutschen) Norm: „singen, sagen,
Sonne, lesen, Amsel“ = ßingen, ßagen, ßonne, leeßen, Pinßl – im Dialekt: ßinga, ßòòng, ßonn/ßunn(a), leeßn, Bemsl. (Das Zeichen ß wird hier gesetzt, um den
Unterschied zur Bühnenaussprache zu verdeutlichen.) – Gespannte oder ungespannte Artikulation
hängt vom Silbenschnitt ab (s. dazu § 6). – Eine Besonderheit
ist der in fast ganz Altbayern übliche Ersatz von s durch h in mia
hàn/hànd, ees heits/ hàts, sie mia hànd/hàn „wir sind, ihr seid, sie sind“. Auf diese Weise entsteht das
Minimalpaar mia håmmă – mia hàmmă „wir haben – wir sind“. |
sèng i siich,
sèg, … Siach Fuas
(Fous) Fiass
(Fäiss) Roos Ressă miassn
(mäissn) i muas weissn weisn wissn Wiis, Wiisn reissn reisn/roasn blòòsn blass Gschloos Gschlessl Guus-eisn |
sehen ich sehe (Tölpel) Fuß Füße Ross Rösser müssen ich muss (*tünchen) weisen (führen) wissen Wiese reißen reisen blasen blass Schloss (*Schlösschen) Gusseisen |
z tz |
z (= ds) zz (= ts) |
50 |
Die Affrikata z
= ts kann gespannt oder ungespannt
auftreten: als tz = ts = zz (Fortis) bzw. z = ds (Lenis). Sie kommt auch durch
Assimilation der Artikelform die > d zustande. – Siehe dazu auch
in § 15. |
blitzn Bliiz rotzn Rooz Greizzl Greiz Fotzn Fooz zààch Zàmperl dSockă dSau dSèi |
blitzen Blitz rotzen Rotz Kreuz (Dim.) Kreuz (Ohrfeige; Mund) (Mund) zäh (kleiner Hund) die Socken die Sau die Seele |
sch rs,
rst sp,
sb |
sch |
51 |
Bei Verbindung mit
anderen Konsonanten neigt das südliche Deutsch dazu, statt s den Laut sch = š zu sprechen – in Fortführung einer Entwicklung, die sich in der Hochsprache nur bei anlautendem sp (= šp), st (= št),
schl, schm, schn, schr, schw
durchgesetzt hat (mhd. spiln, stein, slange, smit, snîden, swimmen > špielen, Štein, Schlange,
Schmied, schneiden, schwimmen), im Oberdeutschen
jedoch viel weiter reicht: Im Schwäbischen heißt es fescht, du bisch „fest, du bist“; auch in Altbayern wird sp, st häufig zu šp, št, auch über
die Silbengrenze hinweg (s-b, s-d). In
der Verbindung mit r tritt fast
durchgängig š auf: rs, rst >
rsch, rscht. |
raišpăn Rašpĕ dHuaštn Kašpă Kàšpăl Wirsching Durscht Wurscht erštns Birschtn Foršt Ferštă Gerštn Ferštn, Feršn Augšburg Rengšburg Mošburg Òmšberg Àrnšdorf |
räuspern Raspel *der Husten Kaspar Kasperl (*Kasperle) Wirsing Durst Wurst erstens Bürste Forst Förster Gerste Ferse Augsburg Regensburg Moosburg Abensberg Arnstorf |
tsch (= tš) |
52 |
Die Affrikata tsch ist im Bairischen viel häufiger als in
der Hochsprache. Sie kann gespannt oder ungespannt auftreten: als tsch = tš (Fortis) bzw. dsch = dš (Lenis). Sie kommt auch durch
Assimilation der Artikelform die > d zustande. (Anlautendes tsch
wird niemals vereinfacht zu sch). – Siehe dazu auch in § 15. |
Tschinelln dSchua dSchui dSchachtl dScheissn Britschn Bidschn Lädschn Drudschăl |
Tschinelle (Becken) die Schuhe die Schule die Schachtel (Durchfall) (Vulva; böse Frau) (Mildkanne) (Mund; Gesicht) (einfältiges Kind) |
|
f v |
f |
53 |
Vielfach wird
geschriebenes v auch in
Fremdwörtern als stimmloses f gesprochen.
In Namen wie „Eva“ oder der Kurzform „Vroni (für Veronika)“ ein stimmhaftes
labiodentales v zu artikulieren,
wirkt affektiert. Karl Valentin legte großen Wert darauf, dass sein Name mit
„F“ gesprochen wurde. In „Klavier,
Vase“ steht meist w (s. u. Nr. 60). |
fintn Aff Ofă offă Froni, Vroni Efa, Ef, Eva Falĕ,
Valentin Nofembă Sil-, Sui-,
Säi- festă Festl, Feštl |
finden Affe Ofen offen Veronika Eva Valentin November
Silvester |
pf |
54 |
Die Affrikata pf kommt auch durch Assimilation der
Artikelform die > d zustande (dFrau
> pFrau). – Siehe dazu auch in § 15.
Im In- und Auslaut kann pf gespannt
oder ungespannt auftreten: als pf (Fortis)
bzw. bf (Lenis). |
Koobf Kepf Schluubf schlupfă Groobf pFingă pFotzn pFeiăweă |
Kopf Köpfe Schlupf (*schlüpfen) Kropf die Finger (Mund, Gesicht) die Feuerwehr |
|
ch h |
h ch |
55 |
In Lenissilben neigt ch zur geschwächten Aussprache, fast wie der Hauchlaut h, z.B. „lachen, kochen“ = laaha, kooha. – Zum Lautwechse h statt s siehe oben bei Nr. 49. Wenn es sich bei
einem sogenannten Dehnungs-h um ein
etymologisch begründetes h handelt,
wird ch gesprochen.
|
zààch gààch rauch Dààchĕ zechă Zechăn seichă leichă gliicha Weich gweicht Schuach rauch |
zäh jäh rau (rauh) (Dohle) zehn Zehe(n) seihen leihen geliehen Weihe geweiht Schuhe (Plural) rau(h) |
In bestimmten festen
Zusammensetzungen ist h verstummt:
aussi, eini, fiari, owi; aussa, eina, fiara, owa usw. (< aus-, ein-, für-, ab-hin; aus-, ein-, für-, ab-her) „hin-aus, -ein, (nach vorn hin), hinab; her-aus, -ein,
(nach vorn her), herab“. |
|
|
14.3 Nasale, Liquiden, Halbvokale
Hoch- sprache |
Bairisch |
Nr. |
Erläuterungen |
m n ng |
m n ng |
56 57 58 |
Zur Nasalierung bei n und m siehe oben § 12, zu m, n, ng als Ergebnis von Silbenschwund und Assimilation siehe oben § 4 und § 14.1 (Nr. 40, 43, 48). |
l |
l |
59 |
Zur postvokalischen
Vokalisierung siehe oben in § 11 (Nr. 18 – 23), auch § 13.4. |
r |
r |
60 |
Silbenanlautendes r
wird überwiegend als schwach gerolltes
Zungen-r gesprochen. Daneben gilt
auch Zäpfchen-r, nicht jedoch eine
dem „ach-Laut“ angenäherte Artikulation. Zur postvokalischen
Vokalisierung siehe oben in § 11 (Nr. 24 – 27), auch § 13.2. |
w
v |
w |
61 |
Abweichend von der
Hochlautung, die stimmhafte und labiodentale Aussprache vorsieht, wird das w
im Bairischen als stimmloser bilabialer Reibelaut
artikuliert. Dies gilt auch für qu = gw, siehe oben Nr. 46. – Zur Aussprache von v
in Fremd- und Lehnwörtern siehe oben
bei Nr. 53. |
j |
ĭ |
62 |
Abweichend von der
Hochlautung, wo j als stimmhafter
Reibelaut gesprochen wird, ist es im Bairischen ein nicht-silbisches ĭ,
also eher ein Halbvokal als ein Reibelaut. „Jäger, Jagd, Josef“ = Ĭàgă, Ĭakt, Ĭosèf. Basismundartlich liegt bei „jeder, jemal(s)“ der Diphthong ia (nordbair. äi) auf: ăn iadă, (ă) diamòi (ăn äidă, äiămòl); mhd. liegt der Zwielaut ie zugrunde, nicht aber je (ieder, iemal). |
§ 15
Konsonantenverbindungen,
Cluster, unbetontes -e
Über die aus der Hochsprache vertrauten Konsonantenverbindungen hinaus kennt das Bairische viele weitere, die auf den ersten Blick recht kurios anmuten (und irgendwie ans Tschechische erinnern, wo es z.B. vokallose Wörter wie čvrtek „Donnerstag“ gibt, oder den Satz: Strč prst skrz krk.). Eine besonders reizvolle Häufung im Bairischen liegt mit „-chzggschpr-“ vor – in dieser volkstümlichen Verschriftung 10 Konsonanten-Buchstaben umfassend, die immerhin 8 Phonemen entsprechen: [ç]+[t]+[s]+[g]+[g]+[š]+[p]+[r]. Dieses „Cluster“ kommt vor in „60 gesprenkelte Eier“, bairisch sèchzg gschprenklde Oar. Die Ursache für das Zusammentreffen so vieler Konsonanten liegt im lautgesetzlichen Ausfall von Vokalen in unbetonten Silben (Elision, vor allem e-Synkope; siehe dazu auch in § 4).
Die unbetonte Form des bestimmten Artikels „die“ ist ein bloßes d, das sich an den folgenden Konsonanten angleicht (Assimilation). Daraus resultieren Lautungen wie pf, ts (= z), tsch, z.B. pFrau, pFinga, pFeiawea, tSau, tSchui usw. („die Frau, Finger, Feuerwehr, Sau, Schule“, s.o. in § 14.2, Nr. 50, 52, 54).
ge- > g- |
mhd.
ze/ze-
> z (= ts) |
||
Gfui, Gfèi gflong Gfrett Gsetz gsund Gsèischaft Gsuach gscheid gschickt Gschiiß gschlòng Gschlooß gschmissn gschmàckig Gschmoass gschniin gschrian gschwind Gšpàss gšpinnăd Gšpusi gšpreizt gštantn gštrààd gštriichă |
Gefühl gefolgen (Schererei) Gesetz gesund Gesellschaft Gesuch gescheit geschickt (Schererei) geschlagen Schloss geschmissen (wohlschmeckend) Geschmeiß geschnitten geschrien geschwind (*Spaß) (verrückt) (Geliebte/r) gespreizt gestanden gestreut gestrichen |
zBassau zbroad zbled zdeiă zdruckă zvui, zvèi zFreising zfriidn, pfrim zgroß, zgrous zlang zleng zmiad znòs zreissn zruck zsauă zschòd zgscheid zšpäd zgschlampăd zwander zwider zzààch zŠtraubing zZolling |
(in) Passau zu breit zu blöd zu teuer zu trocken zu viel (in) Freising zufrieden zu groß zu lang zerlegen zu müd(e) zu nass zerreißen zurück zu sauer zu schad(e) zu gescheit zu spät zu schlampig zu zweit zuwider zu zäh (in) Straubing (in) Zolling |
Bei den Vorsilben ge- und z- (< mhd. ze, in der heutigen Schriftsprache: zer-) sowie bei z in präpositionaler Verwendung (< mhd. ze, in der heutigen Schriftsprache: zu) fällt das e grundsätzlich weg, es resultieren – über die in der Hochsprache gängigen Verbindungen gl, gn, gr, qu = gw, x = gs, zw hinaus – die anlautenden Lautverbindungen gf, gfl, gfr, gs, gsch, gschl, gschm, gschn, gschr, gschw, gšp, gšpl, gšpr, gšt, gštr sowie zb/zp, zbl/zpl, zbr/zpr, zd/zt, zf, zfl, zfr, zg/zk, zgl, zgr, zl, zm, zn, zs (=ts), zsch (= tsch), zgsch, zgschl, zgschm, zgschn, zgschr, zšp (= tschp), zšt (= tscht), zštr (= tštr), zz (= tsts).
Bei der Vorsilbe be- liegt der merkwürdige Fall vor, dass in dialektnaher Sprache die erwartete Kürzung zu b- nur vor einem folgenden Zischlaut (s, sch) belegbar ist, und auch nur in bestimmten Wörtern (Liste 15.3.1).
Ansonsten sind Wörter mit dem Präfix be- in der Mundart nicht üblich (sie sind mit einem * versehen). Lautungen wie *bmeaka, *voabreitn für „bemerken, vorbereiten“ sind undenkbar; dafür stehen andere Ausdrücke zur Verfügung (in der mit ► bezeichneten Spalte in Liste 15.3.2).
be-s… >
bs… be-sch…>
bsch… |
|
bsondăs |
besonders |
bsuachă |
besuchen |
bsorng, bsoang |
besorgen |
Bsuach |
Besuch |
bsină |
besinnen |
bsuffă |
besoffen |
bsetzn |
besetzen |
bscheissn |
bescheißen |
bschòng |
beschlagen (Hufe) |
Bschoad |
(Mitbringsel) |
Bšteck |
Besteck |
bštèin |
bestellen |
bšteh |
bestehen
(= angesehen sein) |
* |
► |
sich *beeilen |
sich schicken |
*befehlen |
anschaffen, schaffen |
*befeuchten |
netzen |
begreifen |
kapieren, gneißen |
*bekommen |
kriegen |
*belügen |
anlügen |
bemerken |
spannen, gneißen |
vor-, zu-bereiten |
herrichten |
*berichtigen |
korrigieren |
*berühren |
anlangen |
sich *besaufen |
sich einen ansaufen |
*beschneiden |
zuschneiden, stutzen |
besichtigen |
anschauen |
*besiegen |
Herr werden |
*besohlen |
doppeln (Schuhe) |
*besprechen |
reden über, diskrieren |
*besteigen |
steigen auf |
bestimmt |
gewiss |
*bestreichen |
einstreichen |
*betasten |
anlangen, antappen |
sich *betrinken |
sich einen ansaufen |
*betrügen |
bescheißen, übers Ohr hauen |
sich *bewegen |
sich rühren |
*beziehen |
einziehen in (Wohnung) |
*beziehen |
überziehen (Sofa) |
Das Adjektiv bsuffa ist geläufig, nicht jedoch das Verb *bsauffa; ähnlich ist es bei Bschoad,
wozu weder das Verb noch das Adjektiv Dialektdeckung aufweisen. – Das häufige
Verb „behalten“ wird verkehrssprachlich bhòitn,
bhoitn ausgesprochen. In den nordbairischen Mundarten ist Assimilation (bh > pf) eingetreten: pfoltn, in
vielen mittelbairischen Regionen erscheint Präfixwechels (be- ersetzt durch ge-): ghòitn.
Werden hochsprachliche Wortbildungen mit be- in dialektnahe Rede übernommen, so gilt, was unten in § 15.5 ausgeführt wird.
Durch Wegfall von unbetontem -i- im Wortausgang der Zehner-Zahlwörter entstehen die Konsonanten-Cluster ssg, zg (= tsg), chzg (= chtsg):
dreissg „dreißig“
zwanzg, viazg, siwazg/sipzg, neinzg „zwanzig, vierzig, siebenzig/siebzig, neunzig“
fuchzg, sechzg, achzg „fünfzig, sechzig, achtzig“
Bei Wörtern, die aus der Hochsprache übernommen sind (quasi Entlehnungen), werden unbetonte e-Laute als relativ langes (geschlossenes oder offenes) e artikuliert (hier mit dem Zeichen ē wiedergegeben), nicht als reduziertes ö, wie in der Hochlautung vorgesehen. Demnach weisen Wörter wie „Gelegenheit, Beschwerde“ in der bairischen Verkehrssprache zwei bzw. drei in etwa gleiche e-Laute auf: Gēlēgnheid, Bēschwēadē. Weitere Beispiele: Bēhöadē, bēlēgdē Brodē, alles Gudē, bēstimmd, bēreits, bēfriedignd, bēschreibm („Behörde, belegte Brote, alles Gute, bestimmt, bereits, befriedigend, beschreiben“), ebenso alle Wörter in der mit * markierten Spalte (Tabelle 15.3) sowie viele andere mehr.
Während die Verbformen „ich bitte, ich danke“ im Bairischen lautgesetzlich als i bitt, i dank auftreten, fällt das auslautende -e bei formelhaft verwendetem Bitte oder Danke nicht weg. Auch diese Formen sind Entlehnungen aus der Hochsprache und werden meist bittē, dankē ausgesprochen. Im Dialekt heißt es dafür: bittschee, biggò(r)schee, dankdăschee, dangschee „bittschön, bittgarschön, dankdirschön, dankschön“ usw.
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