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München - Diese Stimme kennt man. "Nächster
Halt Marienplatz", erklärt sie sanft und bittet multikulturell
darum, rechts auszusteigen: "Please exit the train on the
right-hand side." Unverdrossen begleitet sie S-BahnFahrer von
Nannhofen bis Ebersberg und von Geltendorf bis Erding. Immer
freundlich, immer gelassen und stets in perfektem Hochdeutsch.
Was die wenigsten wissen: Die Stimme gehört einer Berliner
Rundfunksprecherin. Helga Bayertz heißt die blonde Dame Mitte
Fünfzig, die vor gut zweieinhalb Jahren gebeten wurde, die
Münchner S-Bahn-Stationen auf Band zu sprechen.
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"Über diesen Auftrag habe ich mich sehr gefreut, weil ich
in München Freunde habe und die Stadt gut kenne", erzählt
Helga Bayertz. Nachdem sie zwanzig Jahre lang für den Sender
Freies Berlin (SFB) Fernseh-Shows und Radio-Sendungen
moderiert hat, arbeitet sie heute als freiberufliche
Sprecherin. Dass man sie für die Münchner S-Bahn engagierte,
hat sie schon ein bisschen überrascht: "Ich hatte den Bayern
mehr Lokalpatriotismus zugetraut", lacht die
Berlinerin.
"Ich hatte den Bayern mehr
Lokalpatriotismus zugetraut"
Entscheidend war nach Aussage eines S-Bahn-Sprechers, dass
Helga Bayertz vollkommen dialektfrei spricht und immer
freundlich klingt. Eigenschaften, die fast im ganzen Land
geschätzt werden - Dresdner, Frankfurter und Hannoveraner
hören ihre Stimme ebenfalls. Außerdem sagt sie in ihrer
Heimatstadt Berlin 3600 Haltestellen an. Sie braucht etwa zwei
bis drei Stunden, um in einem modernen Berliner Tonstudio 300
Stationen auf Band zu sprechen. Von dort aus wird ihre Stimme
bis in die Provinz geschickt: "Ich sage zum Beispiel die
Stationen der Usedomer Bäderbahn an", erzählt sie. Außerdem
weist sie Fahrgästen der DB-Regio-Züge im Chiemgau und im
Allgäu den Weg.
Es sei nicht immer einfach, der
Reputation als besonders freundliche Stimme gerecht zu werden:
"Versuchen Sie mal ,Ulm’ freundlich auszusprechen", seufzt
Helga Bayertz. Ins Schwärmen gerät sie dagegen bei
"Weinmeister-Horn-Weg" oder
"Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Allee". Das klinge doch schon von
selbst wie Poesie.
Besonders gern berichtet sie von
ihrer stationsansagerischen Reise in den Ruhrpott. Anders als
die meisten lokalen Auftraggeber wollten die dortigen
S-Bahn-Manager, dass sich die Berlinerin sprachlich anpasst.
So heißt denn Duisburg bei ihr nicht Duisburg, sondern
"Dühsburch" - das muss erst einmal gelernt sein von einer
Profi-Sprecherin, die normalerweise einen Aussprache-Duden zu
ihren Arbeitsmitteln zählt. "Aber bei denen muss es ein
bisschen falsch klingen, dann ist es richtig", sagt sie. Ihr
Traum wäre, einmal ein Hörbuch aufzunehmen. Wenn es klappt,
können S-Bahn-Fahrer ihre freundliche Stimme per Walkman auch
zwischen den Stationen hören. Und vielleicht - je nach Werk
und Autor - kommt ja dann auch der bayerische
Lokalpatriotismus zu seinem Recht. Das bekäme Helga Bayertz
sicher hin.
VON CHRISTIANE PÜTTER
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