WIE DER BAYERISCHE SEPPL ENTSTAND
DUDEN –
Wie sagt man in Österreich?
Bairisch und die Europäische
Charta
der Regional- und Minderheitensprachen
Die mundartlichen Verhältnisse in
der Region München
Reinhard
Wittmann
WIE
DER BAYERISCHE SEPPL ENTSTAND
Ein
Klischee und seine Hintergründe
Gut
zwölfhundert Jahre alt sind die frühesten schriftlichen Belege für das gestandene
Selbstbewußtsein der Altbayern. Freisings Bischof Arbeo hatte um 760 seine
Stammesgenossen gelobt als "hochgewachsen und stark, auf Nächstenliebe und
Sitte gegründet". Und wenig später notierte ein Mönch das erste "Mir
san mir"-Manifest: "Stulti sunt Romani, sapienti sunt Paioari"
(Dumm sind die Welschen, gescheit die Bajuwaren).
Noch
betagter allerdings als diese "Autostereotypen" sind die Vorurteile
gegen die Bayern. Ihr Kern hat sich seit der Spätantike kaum gewandelt. Als um
das Jahr 570 der fromme Venantius Fortunatus seine Wallfahrt von Ravenna nach
Tours schilderte, tauchen darin schon die Bajuwaren als wegelagernde Grobiane
am Alpenrand auf. Dieses "Heterostereotyp" zieht sich durch die
Zeiten: ein knappes Jahrtausend später klassifiziert der Schwabe Sebastian
Franck 1534 in seinem "Weltbuch" die Bayern als "ein wenig grob
leüt" und "nit seer ein höflich volck /sunder grober sitten vnd
sprach." Von ihm wiederum schreibt hundert Jahre später ein Ludwig
Gottfried ab, dessen "Newe Archontologia Cosmica" diese Nation
"etwas unhöfliger als die anderen Teutschen" findet, vor allem
"unfreundlich gegen die frembde". An Hamburgs Harvestehuder Weg
pinselt "MERIAN" noch heute an solchem Zerrbild über die ebenso
urigen wie ulkigen Gebirgler. Bei Bedarf bedienen sich auch weitere
hanseatische Gazetten gerne aus demselben Farbtopf.
Doch
das schiefe Bild der Bayern ist nicht nur auf gutmütigen Spott, ahnungslose
Herablassung und Gedankenlosigkeit gegründet, hinter denen sich oft genug
irritierte Faszination und unterdrückter Neid verbergen. Das Sepplklischee der
Neuzeit hat kaum bekannte, aber desto hartnäckigere ideologische Hintergründe.
Schon vor mehr als zweihundert Jahren mischte sich in die Landesbeschreibungen
ein schriller Grundton, der in einer national gesinnten, borussophilen
Geschichtsschreibung nahezu bis in die Gegenwart überdauerte. Bayern wurde zum
Feindbild erklärt, zu einer Schande für das aufgeklärte Säkulum. Während im
protestantischen Norden das Licht der Geistesfreiheit und Gesittung schon gleißend
strahlte, schmachteten "die eifrigsten Katholiken Europas" (so eine
Stimme von 1771) in krasser Unwissenheit und finsterstem Aberglauben. Noch 1896
behauptete die ehrwürdige "Allgemeine Deutschen Biographie", die
Bayern seien damals "unter den übrigen Völkerschaften, nicht bloß
Deutschlands, geistig am meisten zurückgeblieben". Ohne daß er je einen
Fuß in dieses Land gesetzt hatte, verkündete Preußens Friedrich seine
hochfahrende Sottise: "La Bavière est le pays de l'Allemagne le plus fertile,
et où il y a le moins d'esprit: c'est le paradis terrestre habité par des
bétes." (Bayern ist das fruchtbarste Land Deutschlands, und zugleich das
geistloseste: es ist das irdische Paradies, bewohnt von Tieren).
Was
waren die Ursachen für solche durchaus böswilligen Tiraden? Längst haben
Historiker nachgewiesen, daß Kurbayern im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts
einen intensiven und spannungsreichen Prozeß der politischen, ökonomischen,
religiösen und kulturellen Modernisierung durchlief. Unter Max III. Joseph
hatte das Kurfürstentum den mühsamen und langwierigen Weg zu einem
neuzeitlichen säkularen Staat begonnen, hatte die erdrückende Wirtschaftsmacht
der Kirche und das Bildungsmonopol der Jesuiten beschnitten. Die traditionelle
Orientierung an der "alten, großen und weiten katholisch-romanischen
Welt" (Max Spindler) wurde preisgegeben. Die 1759 gegründete Akademie der
Wissenschaften betrieb die geistige Öffnung des Landes, sodaß 1773 der
schwäbische Dichter Schubart überrascht konstatierte: "Man wird selten in
einem Lande eine allgemeinere heißhungrigere Lehrbegierde antreffen als in
Bayern." Vom Regierungswechsel zum kunstsinnigen Pfälzer Karl Theodor 1778
erhoffte man sich eine Beschleunigung des kulturellen "Tauwetters";
die enthusiastische Aufbruchsstimmung bescherte München ein ungemein
fruchtbares literarisches Leben ähnlich jenem im josefinischen Wien.
Stattdessen kühlte das geistige Klima Kurbayerns jäh wieder ab, weil der Regent
seinen Thron unterminiert sah. Der radikale aufklärerische Geheimbund der
Illuminaten, gegründet an der Ingolstädter Landesuniversität, hatte die
geistige Elite (einschließlich der Zensoren) und die Führungsschichten
konspirativ politisierend durchsetzt, ja mit seinem Programm einer heimlichen
Machtübernahme weit über Bayern hinaus Sympathisanten gefunden. Als er sich gar
in die hohe Politik einzumischen begann, drängten die geistlichen Ratgeber den
Kurfürsten zum entschiedenen Handeln gegen diese Bedrohung von Thron und Altar.
Nicht nur wurde der Bund der Menschheitsbeglücker aufgelöst, beteiligte Beamte
(wie Graf Montgelas) und Professoren entlassen, sondern auch fortschrittliche
Publizisten verwarnt und ausgewiesen, eine kecke Satirezeitschrift wie
"Der Zuschauer in Baiern" verboten.
Überall
in Deutschland und darüber hinaus verfolgten die progressiv gesinnten
Intellektuellen diese Auseinandersetzung mit Faszination und Anteilnahme. Mehr
noch: sie ergriffen vehement Partei. Das große Projekt Aufklärung schien in
Bayern erstmals von einer schmerzhaften Niederlage bedroht, deren Signalwirkung
auf andere Länder übergreifen, ja gar zu einem Triumph der Fortschrittsfeinde
führen konnte. Nun begann ein großangelegter publizistischer Federkrieg mit
Pamphleten gegen Karl Theodor, seine Hofschranzen, Maitressen, Pfaffen und
Dunkelmänner. Dank heimlicher Informanten in München waren auswärtige Journale
über politische Affären und höfische Interna Bayerns genauestens im Bilde. Kein
Geringerer als Adolph von Knigge, regster Illuminat des Nordens, sah im
rückständigen Bayern eine finstere Verschwörung der Exjesuiten gegen
Geistesfreiheit und Bürgerrechte am Werke. Dies stachelte den Appetit des
lesenden Publikums immer mehr an, aus dem Reich der Finsternis am Alpensaum
neue Skandale und Schauermären zu erfahren. Anonyme Schlüsselromane aufmüpfiger
bayerischer Jungliteraten wie Milbiller, Pezzl und Wolf erschienen, zugleich
durchstreiften reisende Aufklärer beherzt das Kurfürstentum, um ihre Vorurteile
bestätigt zu finden. Um der guten Sache der Aufklärung willen heiligte der
Zweck die Mittel. Wie verrottet und korrupt die Regierung, wie geistesschwach
und primitiv die Untertanen waren, konnte gar nicht schonungslos genug enthüllt
werden.
Am
wirkungsvollsten gelang dies dem Berliner Verleger Friedrich Nicolai,
weitberühmt als Herausgeber des maßgeblichen Rezensionsorgans, als ätzender
Satiriker und unfehlbarer Literaturpapst der Berliner Aufklärung (wenngleich
von Goethe und Schiller weidlich verspottet). Zwölf dicke Bände umfaßt seine
"Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre
1781", die vielbeachtet von 1783 bis 1796 erschien. Auf den ersten Blick
nur eine pedantische Faktenhuberei, ist sie in Wahrheit eine schonungslose
Abrechnung mit dem so rückständigen und beschränkten katholischen Süden.
Überzeugt, im alleinigen Besitz der Wahrheit zu sein, klammert der eifernde
Aufklärer in selektiver Wahrnehmung alles aus, was seine Vorurteile irritieren
könnte. Weit schonungsloser noch als über Österreich fällt sein Urteil über
Bayern, vor allem die Hauptstadt München aus, fast nichts findet Gnade vor
seinen Augen. Die Rokokopracht von Schloß und Gärten Nymphenburgs ? Hier
sollten besser große Viehherden weiden. Die Mariensäule? Ein "Denkmal
stumpfer Bigotterie". In den Gesichtern der Mönche sind "Dummheit,
Gefräßigkeit, Hartherzigkeit und Niederträchtigkeit schreyend abgebildet".
Unerhört ist die nutzlose Zeitverschwendung durch abergläubische Bräuche,
endlose Messen, lächerliche Prozessionen, zahllose Feiertage. Obwohl die
tückischen Pfaffen das Volk unter der Knute halten, sind Diebstahl, Straßenraub
und Mord viel häufiger als anderwärts, die Arbeitsmoral erschütternd gering.
Genußsucht, Völlerei und Sittenlosigkeit regieren allerorten, die hohe Zahl
unehelicher Kinder ist skandalös. Wer genauer hinschaut, bemerkt hinter Nicolais
höhnisch-erbitterter Polemik durchaus paranoide Züge. Denn von eben diesen
lächerlichen Papisten ist das aufgeklärte, bessere, protestantische Deutschland
aufs höchste bedroht, die verschwörerischen Exjesuiten spinnen ihre Netze, in
denen der Norden hilflos zappeln soll. Ein Vorgeschmack des Bismarckschen
Kulturkampfes liegt in der Luft.
Natürlich
ist auch die Charakteristik der Einwohner wenig schmeichelhaft. Jene
"stumpfe Bigotterie, die in Bayern seit hundert und mehr Jahren
herrscht", hat "unauslöschliche Züge von stierem, und gedankenlosem
Wesen über alle Gesichter verbreitet". Der "Naturbursche" trägt
ulkige Tracht, ist plump, faul, lärmend rauflustig, grob, dem Suff ergeben,
unglaublich dumm, phlegmatisch, undsofort. Höchstens wird barmherzig eingeräumt:
"Die Baiern sind rohe Kinder der Natur, unverwöhnt, voll Trieb, voll
Kräfte, die nur recht geleitet zu werden bedürfen."
Nicht mehr als fünf Tage Aufenthalt haben
Nicolai für sein unumstößliches Urteil über Land und Leute genügt. Den
Löwenanteil seiner Informationen erhielt der reisende Aufklärer allerdings
streng vertraulich von Münchner Gewährsleuten wie Strobl und Zaupser, die als
aufrechte Patrioten naiv glaubten, in diesem intoleranten Eiferer den besten
Bundesgenossen für ihre Reformideen zu besitzen. Ihre Schwarzmalerei in
aufklärerischer Absicht diente stattdessen umgehend als scharfe Munition gegen
ihre Heimat.
Dabei
war Nicolais bezopfte Selbstgerechtigkeit noch vergleichsweise maßvoll,
verglichen mit den unter Decknamen publizierten Reisesatiren von Journalisten
der jüngeren Generation. Radikal republikanisch oder gar jakobinisch gesinnt,
mußten sie sich auf dem freien Literaturmarkt durchsetzen. Deshalb malten sie
nicht nur den politischen, sozialen und kulturellen Zustand Bayerns in den grellsten
Farben, sondern goßen die ätzende Lauge ihres Spottes auch auf seine
Bevölkerung aus. Schon 1778 lästerte der Württemberger Wekhrlin: "Das
Temperament der Baiern ist bei weitem nicht so menschlich wie der Österreicher,
ihrer Nachbarn. Der Baier ist falsch, grausam, abergläubisch und verwegen.
Nirgendwo trifft man mehr Räder, Galgen und Schergen an als in Bayern."
Kaspar Riesbeck, der sich als "reisender Franzose" ausgab,
sekundierte 1783: "Das Landvolk ist äußerst schmutzig. Liederlichkeit ist
der Hauptzug des Baiern, vom Hofe an gerechnet bis in die kleinste Hütte. Mit
dieser großen Liederlichkeit kontrastiert ein ebenso hoher Grad von Bigotterie
auf eine seltsame Art." Carl Ignaz Geiger wiederum, maskiert als
Engländer, wußte 1789: "Überhaupt ist Religionsdummheit und Aberglaube ein
herrschender Zug in dem Bilde von München und ganz Bayern... Das Volk ist hier
mehr als irgendwo ein Lastthier, dem von Fürsten, von Pfaffen und Weibern
Bürden aufgehalst werden, worunter es fast erliegt. Ihre natürliche Trägheit
ist glücklicherweise Ursache, daß sie diese Bürden nicht abwerfen... Nirgends
ist vielleicht die zügelloseste Ausgelassenheit in dem Punkte so weit
eingerissen als hier. Schwerlich ist ein Drittel der Inwohner sowohl männlich
als weiblichen Geschlechts, das nicht von der Lustseuche angesteckt wäre... Die
Konsumtion des Bieres übersteigt allen Glauben" Und mit derlei
Albernheiten geht es viele Seiten weiter.
Eines
muß man den reisenden Bayernverächtern allerdings zugestehen: Ihr Urteil über
die Weiblichkeit fällt einstimmig aus. Enthusiastisch formuliert etwa Kaspar
Riesbeck: "Die Weiberleuthe gehören im Durchschnitt gewiß zu den schönsten
der Welt. Sie fallen zwar auch gerne etwas dick ins Fleisch, aber dieses
Fleisch übertrifft alles, was je ein Maler im Inkarnat geleistet hat. Das
reinste Lilienweiß ist am gehörigen Ort wie von den Grazien mit Purpur sanft
angehaucht. Ich sah Bauernmädchen, so zart von Farbe und Fleisch, als wenn die
Sonne durchschiene." Desto lächerlicher erscheint nicht nur bei Riesbeck
der männliche Ureinwohner: "Das Eigne eines Baiern ist ein sehr runder
Kopf, nur das Kinn ein wenig zugespitzt, ein dicker Bauch, und eine bleiche
Gesichtsfarbe. Es giebt mitunter die drolligsten Figuren der Welt, mit
aufgedunsenen Wänsten, kurzen Stampffüssen und schmalen Schultern, worauf ein
dicker runder Kopf mit einem kurzen Hals sehr seltsam sitzt." Damit ist
das unsterbliche Klischee schon ziemlich perfekt, das fürderhin ein tumber
Schreiberling vom anderen abkupferte und das bis ins 20. Jahrhundert hinein
auch von den Karikaturen im "Simplicissimus" und Juxpostkarten in
alle Welt getragen wurde.
Der
klügste Kopf unter den unerbittlichen Kritikastern freilich war ein Altbayer:
Johann Pezzl, Sohn des Klosterbäck aus Mallersdorf und entlaufener
Benediktinernovize. Auch er nahm kein Blatt vor den Mund, aber tadelte in
seiner "Reise durch den Baierschen Kreis" (1784), daß "sichs
einige der neuern Reisebeschreiber sehr haben angelegen seyn lassen, die
baierischen Städte als höchst elende Pläze zu verschreyen." Dagegen
stellte er nachdrücklich fest, "daß die Baiern keine so finstere Köpfe
seyen, wie einige Nachbarn derselben auszuposaunen belieben. Es geht dieser
Nation wie der Spanischen; sie ist nicht dumm und verdorben; aber es hat zuweilen
an der Regierung gefehlt, und an dieser liegt gemeiniglich das meiste."
Zwar
hat sich längst der Staub der Geschichte über die Fehden zwischen Aufklärern
und Reaktionären, Illuminaten und Patrioten gelegt. Doch das einst mit süffiger
Häme gestanzte Zerrbild des dumpf-bigotten Gaudiburschen war kaum mehr aus den
Köpfen zu vertreiben, sondern wurde je nach politischer und ideologischer
Opportunität immer wieder genüßlich hervorgeholt. Es bestärkte schon jene am
Beginn des 19. Jahrhunderts an den Münchner Hof berufenen Nordlichter in ihrem
Kolonisatorendünkel, hier als gottgesandte Missionare unter Wilden in geistiger
Finsternis die Fackel des Fortschritts anzünden zu müssen. Es wurde in der
Wilhelminischen Ära ebenso bei Bedarf wieder hervorgeholt wie in den Zwanzigerjahren,
und noch in der Bundesrepublik waren sich manche Mandatsträger, Kulturschnösel
und gar Professoren nicht zu schade für einschlägiges Gewitzel. Bei den immer
wieder so Gescholtenen selbst jedoch beförderte dieses Stereotyp jene
merkwürdige Mischung aus grimmigen Minderwertigkeitskomplexen und vorbeugendem
Auftrumpfen, die das Selbstbild der Bayern bis heute kennzeichnet.
Freilich
sind dem Negativklischee seitdem einige positive hinzugefügt worden, deren
Wirkung alllerdings kaum erfreulicher ist. Im 19. Jahrhundert wurde Bayern von
Romantikern und Reaktionären als heile Welt der Gegenmoderne entdeckt,
verschont von Säkularisierung, Modernisierung und Trivialisierung aller
Lebensbereiche, und bewohnt von rührend einfältig-unverdorbenem Landvolk mit
pittoreskem Brauchtum. Schon 1817 sah ein gewisser Christian Müller beim
Oberlandler "den Prototyp der Deutschheit unter allen Stämmen am reinsten
bewahret." Die Erfindung und hemmungslose Vermarktung Bayerns als alpines
Oberbayern zum Zwecke des Fremdenverkehrs deutete die Stammesklischees ins
Positive um: in überschäumende Lebenslust und archaische Frömmigkeit, herzige
Natürlichkeit, kracherte Genußfreude und almerische Erotik.
Und die Älpler selbst, die unschuldigen
Naturkinder? Schon sehr bald setzt bei ihnen jenes merkwürdige Verhalten
gegenüber den Touristen ein, das Heinrich Heine bereits 1828 präzise
charakterisiert hat: sie tragen nämlich "eine Sorte von lächelndem
humoristischem Servilismus" zur Schau und geben mit dieser putzig-herzlichen,
dick aufgetragenen Unbefangenheit dem Fremden jenes wohlige
Überlegenheitsgefühl, wie es eben Missionare und Kolonisatoren bekommen, wenn
die Eroberten ihre geistige und kulturelle Dominanz demütig anerkennen.
Um
die Mitte des 19. Jahrhunderts rief König Maximilian II. die
"Nordlichter", womit er seine privaten Unzulänglichkeitsneurosen
staatspolitisch überdimensionierte. Die einheimischen Autoren setzten sich auf
ihre Weise zur Wehr: mit der systematischen Vermarktung des
Oberbayernklischees, mit Hunderten von Volksstücken und Familienromanen. Die
zugezogenen Kolonialherren und auch die Durchreisenden aus dem Norden
betrachteten Bayerns traditionsgesättigte Lebensart zwar als intellektuell
minderwertig. Abr sie vermochten sich doch der emotionaler Faszination nicht zu
entziehen, die eine behäbig seit mehr als einem Jahrtausend in sich ruhende
Kultur ausstrahlte. Und was taten die Bayern mit dieser Kultur ? Sie
vermarkteten sie als Exportartikel: Ab 1880 touren Jodler und
Schuhplattlertruppen durch den Norden, ja bis Amerika, was schon Heine zu Recht
empfand als "schamlose Verschacherung des Verschämtesten". Zugleich
verbreiteten Autoren wie Maximilian Schmidt, genannt Waldschmidt, millionenfach
ihren Bayernkitsch, wobei dieser Stammvater der bayerischen Tourismusindustrie
nach dem Motto schrieb: "Bayern muß das von Fremden meist besuchte Land
werden" (wohlgemerkt: besuchte, nicht bewohnte!).
Die
preußische Machtpolitik, die sich in ihrem Streben nach europäischer
Vorherrschaft um jeden Preis von Bayern belästigt sah, hätte dieses Land
ebenfalls am liebsten auf seine Rolle als unterworfenes Eingeborenenreservat
beschränkt. Ich zitiere das Urteil des preußischen Hofhistorikers Heinrich von
Treitschke über einen Staat, der rund tausend Jahre vor Preußen die Geschichte
Mitteleuropas zu formen begann: "Bayern ist eine lebensunfähige politische
Mißbildung, recht eigentlich ein Zwerg mit einem Wasserkopf, und Preußens
Aufgabe besteht darin, Bayern zu zerschlagen". Die Seppln merkten diese
steten Bemühungen, Bayern über Jahrzehnte hinweg politisch zu destabilisieren
und zu unterminieren, übrigens sehr deutlich, und die tiefsitzende Abneigung
gegen Preußen als geistige Lebensform hat auch hier ihre handfesten, legitimen
Wurzeln.
So
wurde aus unterschiedlichen Motiven, aber mit demselben Ergebnis, Bayern teils
offen, teils verdeckt, mit ebenso oberflächlicher Bewunderung wie Verachtung,
als der Prototyp der Gegenmoderne, als noch unentfremdete Welt inszeniert. Hier
schien all das bewahrt, was in einem laut-agressiven, seinen "Platz an der
Sonne" fordernden, pickelhaubigen Kaiserreich rapide verschwand:
Geradlinigkeit und Freimut bis zur Grobheit als Gegenteil des borussischen
Kadavergehorsam, demokratische Liberalität im Gesellschaftsleben, anarchische
Rauflust und lockere Sexualität, behagliche Völlerei im Essen und Trinken,
ungebärdige Spielfreude und Musikalität, dagegen mäßige Arbeitslust, insgesamt
ein scheinbar unerschütterlich zäher Widerstand gegen die Moderne mit ihren
Zumutungen, gegen die totalitäre "Sozialdisziplinierung" der Neuzeit,
eine gloriose Einheit von Bräuhaus, Bordell und Fronleichnamsprozession.
Bald
war der Siegeszug des bajuwarischen Folklorismus schier unaufhaltsam: das
Schlierseer Bauerntheater beispielsweise verbreitete die Sepplklischees um 1900
auf seinen Tourneen in Deutschland, Europa und Amerika flächendeckend in vielen
tausend Vorstellungen, zu Kaiser Wilhelms schenkelklatschendem Entzücken.,
Entlarvenderweise wurde ihr Gastspiel angekündigt als "Völkerschau aus
Bayern" - also genauso wie die Zirkusattraktionen von nacktbusigen
Hottentotten, aufgeputzten Indianern und sonstigen "Abnormitäten".
Je
mehr der Südbayern-Tourismus zunahm und nach den Oberschichten auch der
bürgerliche Mittelstand Bayern als Sommerfrischen-Idyll entdeckte, desto heftiger
prallten die Stereotype aufeinander. Eben das, was die Fremden in Bayern
suchten, nämlich eine heile vormoderne Welt, empfanden die Einheimischen auf
dem Lande selbst als peinlichen Makel: offensichtlich waren ihnen die Nördler
voraus, waren klüger und fortschrittlicher. Doch die devoten
Minderwertigkeitsgefühle waren auch vermischt mit einer heimlichen Verachtung
für die neureichen Wichtigtuer, die Kuh und Stier nicht unterscheiden konnten.
So beharrte man trotzig auf seiner Andersartigkeit. Immer heftiger schaukelten
sich die Auto- und Heterostereotype gegenseitig auf und mündeten großteils in
einen allumfassenden Folklorismus, der eine lebfrische Volkskultur rüde
kommerzialisierte, trivialisierte und auf Abruf verfügbar machte. Gerade die
"animalisch gefallsüchtigen" (O. M. Graf) Oberbayern verfielen einer
kollektiven Schizophrenie, indem sie an all dem fleißig verdienten, was sie
eigentlich anwiderte: die Prostitution als servil-burschikoser Gaudibursch etwa
bei den Trachtenabenden, der einträgliche Ausverkauf der sauersten Wiesen als
teure Grundstücke mit Seeblick an die Zugereisten (mit anschließendem Gejammer
über die Überfremdung). Sie inszenierten, wie Oskar Maria Graf es glossiert,
"ein herzerfrischendes Hinterwäldlertum auf Bauernart, eine mit dem dicken
Zuckerguß sentimentaler Verlogenheit reizend garnierte Gebirgsjodler-Idylle,
ein schlichtinniges, bierkatholisches Analphabetentum als Volkscharakter".
Das feiert bis heute fröhliche Urständ, auch
wenn es nach dem radikalen demographischen Wandel seit 1945 völlig lächerlich
geworden ist. Angesichts des unablässigen millionenfachen Zuzugs von Norden nur
noch lächerlich ist jene innerdeutsche Rassentheorie, der zufolge 'die Bayern'
nun einmal so sind wie sie sind. Bayern hat lange Zeit all das heimatlich
aufgenommen und einverleibt, was aus Osten und Norden vertrieben wurde, hier
neue Heimat fand, und dem Land wichtige kulturelle und soziale Impulse gegeben
hat. Doch diese Bereitschaft, sich einzugliedern, sich der angestammten
Mentalität des Gastlandes lernend unterzuordnen, um wirklich einheimisch zu
werden, sich nicht zuletzt auch seiner Sprache anzupassen - diese Bereitschaft
ist spurlos verschwunden und an ihre Stelle tritt eine hochfahrende Arroganz,
eine aufgeblasene Verständnislosigkeit für die faszinierende Eigenart dieses
anderthalb Jahrtausende alten Kulturstaates, tritt der feste Wille, Holzkirchen
und Weßling Norderstedt und Visselhövede so ähnlich wie möglich zu machen.
So
geht hierzulande unwiderruflich verloren, was einst Bayerns Eigenart ausmachte:
dieses so stetige, beharrlich bodenständige Land hat Geschichte über die
Jahrhunderte hinweg als eine Geschichte der verpaßten Möglichkeiten, des
Verratenwerdens, der Übervorteilung und Aggression kennengelernt und gegen
dieses Verhängnis ein "letzten Ende prähistorisches Grundgefühl von der
Stetigkeit der Welt, die uns umgibt" (Amery) entwickelt, das den Weltlauf
als irrational erkennt und skeptisch gegen alles Weltverbesserertum ist.
"Na mach' ma halt a Revolution, daß endlich wieda a Ruah' is!" dieser
Spruch eines Münchner Arbeiters von 1918 gibt dieses letztlich anarchische,
überzeitliche Lebensgefühl genau wieder. Doch dieses Bayern wurde, so hat Carl
Amery es formuliert, "von außen mit einem neuen Lebensstil, einer neuen
Art der Existenz überzogen, dies führte, so oder so, zu seiner Sprachlosigkeit,
zu seiner Fremdbestimmung".
Und
da die demographischen Prognosen vorhersagen, daß in den kommenden 15 Jahren
aus den norddeutschen Bundesländern rund 2 Millionen hierher einwandern wollen,
wird sich bald erweisen, ob das Land seine Identität gegen solche Bedrohung
bewahren kann. Zu befürchten ist allerdings, daß sich die prophetische Warnung
Johann Christoph von Aretins aus dem Jahre 1810 bewahrheiten wird:
"Die Nordteutschen (mit wenigen Ausnahmen)
verachten und hassen die Südteutschen, glauben sich weit vor ihnen voraus und
werden nie den herzlichen, unbefangenen Sinn derselben zu fassen, oder zu
schätzen wissen. Wenn es ihnen gelingt (wovor Gott sey) unsere üppige
Lebensfülle mit ihrer nördlichen Kälte und Steifheit zu ersticken, so ist unser
Vaterland unwiederbringlich zu Grunde gerichtet."
DUDEN
– Wie sagt man in Österreich?
Wörterbuch
des österreichischen Deutsch.
3.,
vollständig überarbeitete Auflage von Jakob Ebner.
Mannheim
- Leipzig - Wien - Zürich, Dudenverlag 1998
(Duden-Taschenbücher
Band 8) ISBN 3-411-04983-9
Jakob Ebners "Wie sagt man in
Österreich" ist vor 30 Jahren (1969) erstmals erschienen. Der damals
sehr junge Verfasser war mit seinem ersten Versuch, die österreichische
Varietät der deutschen Standardsprache darzustellen, sehr erfolgreich und
schrieb damit österreichische Sprachgeschichte, indem er germanistisches
Neuland betreten hat, denn ein solches Thema war in der damaligen Germanistik
nur ein Randthema, lag doch das Hauptaugenmerk auf der Erforschung der
Dialekte. Außer dem Österreichischen Wörterbuch, das als Schulwörterbuch eine
andere, spezielle Zielsetzung hatte, gab es vor Ebner kein Nachschlagwerk, wenn
man von Paul Kretschmers Wortgeographie der hochdeutschen Umgangssprache (Göttingen
1918, ²1969) und allgemeinen Darstellungen wie Hildegard Rizzo-Baur, Die
Besonderheiten der deutschen Schriftsprache in Österreich und Südtirol (Mannheim,
Duden-Beiträge Nr. 5, 1962) oder vom bescheidenen Büchlein Carl Friedrich
Hrauda Die Sprache des Österreichers (Salzburg 1948) absieht. Erst nach
Ebners Erstling erschien Wilfried Seibicke Wie sagt man anderswo? (Mannheim,
Duden-Taschenbuch Nr. 15, 1972, ²1983), wo die landschaftlichen Unterschiede im
gesamtdeutschen Sprachraum skizziert werden.
Ebners Buch erhob nie den Anspruch, ein
normatives Lexikon zu sein, sondern er war (und ist) bestrebt, den Wortschatz
des "österreichischen Deutsch", also den "gesamten für
Österreich spezifischen Sprachgebrauch" zu erfassen. Seine Interpretation
des Begriffes Austriazismen ist klar nachvollziehbar (S. 8) und sagt
alles:
Gegenstand des
Buches sind natürlich Austriazismen. Dieses Prinzip stößt auf die
Schwierigkeit, österreichischen Sprachgebrauch von den Nachbarländern
abzugrenzen. Der Nutzen eines Buches, in dem nur die reinen Austriazismen, d.h.
die auf Österreich beschränkten Spracheigentümlichkeiten, behandelt werden,
wäre gering. Will man die österreichische Standardsprache in allen ihren
Erscheinungen erfassen, muss man jene Wörter mit einbeziehen, die auch in einer
benachbarten Sprachlandschaft vorkommen. Ebenso werden die Wörter behandelt,
die nur in einem Teil Österreichs vorkommen. Statt Austriazismenwörterbuch ist
die Bezeichnung Wörterbuch des österreichischen Deutsch zutreffender, sie
drückt aus, dass der gesamte für Österreich spezifische Sprachgebrauch
behandelt wird, gleich ob Wörter auch in Nachbarlandschaften oder nicht in ganz
Österreich verbreitet sind. Die regionale Verbreitung wird jeweils angegeben
(z.B. auch bayr., auch süddt., auch schweiz., auch ostmitteldt. usw.) bzw. die
beschränkte Verbreitung innerhalb Österreichs.
Das Wörterbuch ist in erster Linie der
Standardsprache in Österreich gewidmet, enthält aber auch viele
umgangssprachliche und dialektnahe Wörter, soferne sie geschrieben vorkommen
(in der Literatur, in fachsprachlichen Texten [z.B. Küchensprache], aber unter
Ausschluss der eigentlichen Dialektliteratur). Wir haben also kein
Dialektwörterbuch (im engeren Sinne) vor uns, die Konzeption ist eine andere
als z.B. Ludwig Zehetners Bairisches Deutsch (s. Rundbrief Nr. 23f., S.
1ff. sowie Nr. 24, S. 9ff.), der die altbayrischen Mundarten mit einschließt,
doch ganz kann sich aber auch Ebner nicht den in Österreich gesprochenen
Mundarten entziehen. Als Beispiel diene die Vorsilbe der- (entspricht im
großen und ganzen standarddt. er-), die von Ebner zutreffend als
"mundartnah, auch bayr[isch]" (S. 81) bezeichnet wird. Er zitiert
daher nur die beiden umgangssprachlich allgemein üblichen sich derfangen "sich
erholen, wieder finden" (nach Österreichischem Wörterbuch auch
"sich erfangen") und derschlagen "erschlagen" ohne Belege,
hingegen werden derpacken "bewältigen", dertreten
"zertreten", derwischen "erwischen" und derwuzeln
"zerreiben, überrollen" mit den entsprechenden Zitaten aus
Literatur und Presse belegt; insgesamt sind dies also 6 Einträge. Bei Zehetner
(S. 84ff.) finden sich über 70 Einträge (versehen mit den Hinweisen
"umgangssprachlich" oder "mundartlich"), was deutlich die
grundsätzlich verschiedenen Konzeptionen zeigt. Zehetner bezieht auch die
bayerische Mundartliteratur mit ein, während Ebner nur die in standardnahes
"Hochdeutsch" eingebetteten Dialektausdrücke berücksichtigt, z.B. eini
"hinein" (S. 92f.), aba (oba) "herab" (S. 19).,
da sie einerseits in der Literatur vorkommen (z.B. bei Helmut Qualtinger und
Karl Kraus), sie andererseits (wie in Bayern ja auch) im Sprachdenken fest
verankert sind. Daher sind beide Bücher nicht direkt miteinander vergleichbar,
doch jedes für sich ist auf seine Art als ein sehr gut gelungenes
Werk zu betrachten.
Das Buch wendet sich an alle, die sich mit
den sprachlichen Gegebenheiten in Österreich vertraut machen wollen,
einschließlich den Lehrern für Deutsch als Fremdsprache und den
Österreichern selbst, die österreichisches Sprachgut nicht immer befriedigend
dargestellt in den allgemeinen deutschen Wörterbüchern finden. Im Mittelpunkt
steht der Gebrauchswortschatz, der wie in einem einsprachigen
Bedeutungswörterbuch üblich dargestellt wird, wobei den Unterschieden zum
allgemeinen Standard in Deutschland und der Schweiz besondere Beachtung zukommt
(S. 9, Beispiele z.T. von mir):
Für
Unterschiede in der Wortbedeutung wird ein eigener Weg gegangen. Es kann
sich dabei um folgende Fälle handeln:
– ein Wort hat
in Österreich eine zusätzliche Bedeutung (1),
– eine
Bedeutung fehlt in Österreich (2),
– die Bedeutung
ist von Grund auf anders (3),
– eine
gemeinsame Bedeutung wird in anderen Nuancen angewandt (4).
Beispiele: (1) im Jahre Schnee "in
längstvergangener Zeit"; Klampfe auch "Bauklammer
(Eisenklammer für Baugerüste)", die Bedeutung "Gitarre" ist
gemeindeutsch; Vorrang als Begriff der Straßenverkehrsordnung (in
Deutschland "Vorfahrt", in der Schweiz "Vortritt"); (2) der
Junge (fehlt, es gibt nur das Junge "Jungtier; Eingeweide und
abgeschnittene Fleischreste zum Suppenkochen (in Deutschland meist -klein,
z.B. Hühnerklein"), dafür meist "Bub, Bursch(e)", ähnlich
in Bayern; Brötchen in Österreich nur "belegtes Brot", nie
"Semmel"; (3) Übergenuss "Überzahlung, irrtümlich zu hoch
ausbezahlter Gehalt", Laibchen (Laiberl, Laberl)
"ein bestimmtes Gebäck (auch Bayern), Fleischspeise in Form eines kleinen
Laibes (in Bayern Fleischpflanzel, in Berlin Buletten, in anderen
Gegenden Deutschlands Frikadellen, international Hamburger)";
(4) der Gehalt meist statt das Gehalt; Mutant (wie auch in
Bayern) nicht nur Science-Fiction- Figur, sondern "Jugendlicher im
Stimmbruch".
Spezifisch österreichische Stichwörter (z.B. Schmäh
"Trick; Unwahrheit; Scherz, flotter Spruch usw." oder Faschiertes
"Hackfleisch") und österreichische Abweichnungen von
gemeindeutschen Ausdrücken werden entsprechend vorgestellt, mit grammatischen
Angaben und mit Zitaten, die den genauen Gebrauch des Wortes für den Benutzer
nachvollziehbar machen (mit größtenteils neuen Belegen aus Presse und
Literatur, was unterstreicht, dass es sich hier um eine Neubearbeitung im
engeren Sinne handelt). Auf Gemeinsamkeiten mit anderen Regionen wird immer
hingewiesen (z.B. Kir(ch)tag auch süddt. "Kirchweihfest" mit
Redewendung auf vielen Kirchtagen tanzen "überall dabei sein,
(binnendt.:) auf vielen Hochzeiten tanzen", Topfen auch bayr.
"Quark", heuer auch süddt., schweiz. "in diesem
Jahr"). Wertvoll sind auch die Angaben zu abweichender österreichischer
Aussprache (z.B. Betonung Mathemátik statt Mathematík [heute auch
Bayern], Platín [auch Bayern] statt Plátin, Aussprache Portier
etwa [portír], nicht [portjé], Chirurg, Chemie mit
[k-], nicht [ch-]). Auch innerösterreichische Besonderheiten werden erläutert
(z.B. in Tirol Fleisch- statt Leberkäse, Tschurtschen bes.
Tirol u. Kärnten "Nadelbaumzapfen", ostösterreichisch Bockerl,
hauptsächlich von Föhren, usw.).
Insgesamt sind in der neuen Ausgabe rund 8000
Stichwörter enthalten, nach dem Vorwort (S. 6) "nahezu verdoppelt".
Dies sei hier anhand des Buchstaben N gezeigt: nachdem (kausal,
auch bayr.), Nachkauf "Erwerb von Pensionszeiten durch Nachzahlung"
(Amtssprache), Nachkir(ch)tag "Ausklang des Kirchtags", Náchmittag
(Betonung, auch bayr.), Nachmittagsplauscherl, Nachprüfung
"Wiederholungsprüfung" (in der Schule), Nachrang, Nachsaison,
Nachschlagwerk (neben Nachschlagewerk mit Fugen-e), nachschupfen,
nachsetzen, nächst (als Präposition, auch bayr.), Nacht (auch
"nachts", Wendungen wie auf die Nacht, auch bayr.), Nachtahnl
"sagenhafte Frauengestalt", Nachtragsprüfung, nachwassern
"nochmals kontrollieren", Nachzipf "Nach(trags)prüfung",
Nackerpatzl (auch bayr., geschrieben -bätzi o.ä.), Nadelstreif,
Nagelwurzen, Nagerl "Nelke" (auch bayr.), Nahkontakt,
national (traditionell in Österreich meist im Sinne von
"deutschnational"), Naunscherl "Backerbse", Nebbochant,
Nebelreißen (auch bayr.), Nebengebühren (Amtssprache), négativ
(Betonung), Negerant "wer kein Geld hat" (scherzhaft zu neger
"ohne Geld, abgebrannt"), Neidgenossenschaft (scherzhafte
Selbsteinschätzung Österreichs), Neigerl (auch bayr.), neu adaptiert,
Neubaugaronnière, neuerdings, Neuner "Zahl Neun, die
Neun" (auch bayr.), neunern (westösterr.) "das zweite
Frühstück (in Wien: Gabelfrühstück) einnehmen" (in Bayern ein
Kartenspiel), nieder "niedrig", niederfahren, Niederflurgarnitur
(Fachsprache), niederführen, Nigel/Nigele (z.T. auch bayr.), nigelnagelneu
(auch bayr.), Nikolausausfahrt, nix (auch bayr.), no (auch
bayr.), Nobelball, Nockerlsieb, Normverbrauchsabgabe (Amtssprache),
Notär, notifizieren (Amtssprache) "in einer diplomatischen
Note mitteilen", Notstandshilfe (Amtssprache), Nudelsuppe (wohl
auch bayr., doch die Redewendung nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen
sein in Bayern üblicherweise mit Brennsuppe wie in Westösterreich), Nuller
"die Null" (auch bayr.), Nullkommajosef "0,0 (null
Komma null)", nunmehrig (Amtssprache), Nursch "Futtertrog"
(auch bayr.), Nusspalatschinken/-potitze/-schnitte, Nutzgrund, Nylonsack.
Daneben nehmen sich die Abstriche gegenüber
der vorigen Auflage als unbedeutend aus (ebenfalls Buchstabe N: im
nachhinein, Neurologie "Abteilung in einem Krankenhaus für
N.", Notariatskanzlei, nu na nicht (no na net)
"selbstverständlich", Nunziatur alte Schreibung für
"Nuntiatur"). Leider wurde auf ein Wörterverzeichnis
"Binnen-/Nord-/Bundesdeutsch – österreichisches Deutsch" verzichtet –
die vorige Auflage hatte ein solches (übrigens auch Zehetner). Trotzdem wird
das vorliegende Büchlein gute Dienste leisten und – wie ich hoffe – auch ein
wenig zur Festigung des österreichischen Sprachbewusstseins beitragen, um das
es ja nicht zum Besten steht (doch darüber im nächsten "Rundbrief").
Heinz
Dieter POHL
Man muß das Wahre immer wiederholen, weil
auch der Irrtum um uns immer wieder gepredigt wird, und zwar nicht nur von
einzelnen, sondern von der Masse, in Zeitungen und Enzyklopädien, auf Schulen
und Universitäten.
Johann Wolfgang von Goethe
Bairisch
und die Europäische Charta
der
Regional- und Minderheitensprachen
von
Anthony Rowley
Deutschland hat am 7. Mai 1998 die
europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats
ratifiziert. In einem Maßnahmenkatalog bestätigen die Teilnehmerstaaten Schutz-
und Unterstützungsmaßnahmen für ihre Sprachminderheiten. Auf Druck von
niederdeutschen Arbeitskreisen hat eine Konferenz der norddeutschen Länder dem
Bund neben den Minderheitensprachen Dänisch und Friesisch auch Niederdeutsch
als "Regionalsprache" zur Anmeldung für die Charta empfohlen. Und
neben den "echten" Minderheitensprachen hat die Bundesregierung
tatsächlich auch das Niederdeutsche als Regionalsprache deklariert und dafür
eine Reihe von Schutz- und Förderungsmaßnahmen kodifiziert.
Für die Anerkennung des Niederdeutschen als
Regionalsprache gibt es bereits ein Vorbild. Als die Niederlande die Charta
ratifizierten, deklarierten sie "Niedersächsich" als
Minderheitensprache. "Niedersächsisch" sind die im Osten der
Niederlande gesprochenen Dialekte, die eher Gemeinsamkeiten mit den
plattdeutschen Mundarten Niedersachsens aufweisen als mit den sonstigen
"fränkischen" Dialekten der Niederlande. Das Plattdeutsche ist also
in den Niederlanden Minderheitensprache. Daraus ergebe sich zwangsläufig - so
könnte man argumentieren -, daß es auch in Deutschland als Sprache anerkannt
werden müsse.
Gute Argumente sprechen dafür, auch das
Bairische als Regionalsprache zu schützen. Entspricht Bairisch überhaupt den
Bedingungen der Charta? Geschützt sind nach Teil 1, Art. 1(a) der Charta
Sprachen, die "in einem bestimmten Gebiet eines Staates von Angehörigen
dieses Staates gebraucht werden, die eine Gruppe bilden, deren Zahl kleiner ist
als die der übrigen Bevölkerung des Staates", ferner Sprachen, "die
sich von der Amtssprache dieses Staates unterscheiden", drittens Sprachen,
die "weder Dialekte der Amtssprache des Staates / Staatssprache noch die
Sprachen von Zuwanderern" umfassen.
Inwieweit treffen diese Kriterien auf das
Bairische zu? Die erste und zweite tun dies unbestritten. Wie steht es mit dem
dritten? Das Bairische ist wie das Niederdeutsche ein Dialekt des Deutschen -
aber kein Dialekt der neuhochdeutschen Schriftsprache, der
"Amtssprache" der Bundesrepublik Deutschland. Juristisch genau muß
festgestellt werden, daß alle - Bairisch, Niederdeutsch und die neuhochdeutsche
Schriftsprache - historisch gesehen Dialekte sind, Dialekte des
"Deutschen". Dies ist keine rechtliche Haarspalterei, sondern die
Begründung dafür, daß das schottische Lollans, das Gallizische oder das
Venezianische als Sprachen gelten. Auch dieses Kriterium kann also auf das
Bairische angewandt werden; es kommt darauf an, wo ein "Dialekt"
aufhört und eine "Sprache" anfängt. Wissenschaftler konnten dem
Schleswig-Holsteinischen Landtag plausibel machen, daß das Niederdeutsche
objektiv "eine historische Einzelsprache ... in der Existenzform eines
(Kultur)Dialekts und mit dem Status einer Regionalsprache" sei. Wichtig
war, daß Niederdeutsch nicht aus dem Hochdeutschen ableitbar sei - anders, so
wurde hier fälschlicherweise unterstellt, als die Varianten des deutschen Südens.
Wichtig war, daß es einst im Mittelalter eine Schriftsprache war - wie auch das
Bairische. Auch die Bonner Parlamentarier waren bereit, sich überzeugen zu
lassen, daß das Niederdeutsche eine Sprache ist. Subjektiv allerdings dürften
viele Norddeutsche ihr Platt doch als Dialekt des Deutschen verstehen. In
Plattdeutsch steckt ja auch das Wort deutsch mit drin.
Oft werden Wörterbuch, Grammatik, eine
gewisse Standardisierung und Verbreitung in den Medien als Kriterien für eine
"Sprache" verstanden. Aber das Niederdeutsche zum Beispiel hat kein
Rechtschreibregelwerk, keine Elementarfibel, kein Schullesebuch, genausowenig
wie das Bairische. Immerhin verfügt das Bairische über Grammatiken,
Wörterbücher und eine reiche Literatur, es ist in Funk und Fernsehen vertreten,
wenn auch nicht stark genug. Prof. Dr. Robert Hinderling von der Uni Bayern
betont: "Allein schon von den grammatischen Besonderheiten her ist das
Eigengepräge des Bairischen gegenüber dem Schriftdeutschen so stark, daß es
genügen würde, ihm den Status einer eigenen Sprache zu verleihen. Der Abstand
Bairisch - Hochdeutsch ist größer als der zwischen Dänisch und Norwegisch oder
Tschechisch und Slowakisch. Wichtige faktische Grundbedingungen einer
"Sprache" wären somit fürs Bairische schon erfüllt."
Die niederdeutschen Verhältnisse entsprechen
in jeder Hinsicht den bayerischen. Auch das Bairische ist objektiv organisch
aus dem Westgermanischen entstanden und nicht aus der Schriftsprache ableitbar.
Es existiert in der Form eines (Kultur)- Dialekts und kann den Status einer
Regionalsprache beanspruchen. Da das Plattdeutsche unter den Regionalsprachen
mit dabei ist, so meine ich, daß auch das Bairische eine schützenswerte
Regionalsprache ist und als solche für die Charta angemeldet werden muß.
A.
Rowley, München
Bairisch mit A-
Gerade erschienen (beim Münchner Verlag Oldenbourg)
ist Heft 5 des neuen Bayerischen Wörterbuchs. Damit ist der Buchstabe A-
abgeschlossen; und das heißt schon einiges mehr als das erste
sechsundzwanzigstel des Alphabets - Wörter mit A- machen etwa acht
Prozent des Gesamtwortschatzes aus. Neben Alltagswörtern, die in allen
deutschen Dialektlandschaften vorkommen (Acker, Arbeit, Arm,
Arsch und Auge seien hier als typische Beispiele genannt, oder
Verben wie achten und arbeiten) enthält die Strecke mit A-
auch übermäßig viele sehr schwierige Wörter - kleine Wörtchen wie ab, an,
auf, aus, aber, als und auch, deren
Bedeutungen zwar oft schwer zu fassen sind, die aber der lebendigen Rede
niemals fehlen dürfen. Mit A- beginnen auch einige bairische
"Kennwörter", Wortschatzbesonderheiten, die nur in den bairischen
Dialekten Bayerns und Österreichs vorkommen: Afel 'Wundsekret', Alte
'Furche', Änze 'Gabeldeichsel', aper 'schneefrei', Arch
'Wasserverbauung', Arl 'einfacher Pflug', Arre 'Drangeld', Ase
'Trockenstange über dem Herd', Äue 'Mutterschaf'. Aber die ersten Hefte
des Bayerischen Wörterbuchs enthalten auch einige Wörter, die soweit bisher
ersichtlich ausschließlich in den Mundarten Altbayerns vorkommen. Einige
Beispiele: das Wort Alben 'Kalktuff, Erdschicht' ist zu einem Fachwort
für den Erdinger Alben geworden, kommt aber außerhalb Bayerns in dieser
Form nicht vor. Es handelt sich um ein altes germanisches Reliktwort (vgl.
schwedisch alv 'Erdschicht unter dem Humus'). Nur im Bayerischen Wald
nennt man den Fußknöchel Änkel mit "hellem" A-, auch
dies sicher eine uralte Bildung, die Äns 'Längsbalken einer Brücke'
findet man nur im Gotischen und Altnordischen wieder. Uralt ist auch die
Bildungsweise des Adjektivs hon- (mon-, won-)achs
für 'schief'. Das gebirgsbairische Adjektiv angel 'genau' ist eine
altbayerische Sonderbildung genauso wie das niederbayerische Adverb anzt
'sogleich'. Weitere Beispiele sind der Fischname Amaul 'Zander', der
Pflanzenname Amelitze 'Sanddorn', die Stoffart Ankinet 'Nanking'.
Es gibt auch Nachsilben, die nur in Bayern vorkommen: die lechrainische
Pluralendung auf -ach (Katzach 'Katzen') und das für die
Namensbildung von Frühjahrsstarkbieren so beliebte "Biersuffix" -ator.
Auch das eigentlich schriftsprachlich aussehende Stoß-auto auf der
Regensburger Dult ist eine Wortbildung, die sonst bisher nirgends
verzeichnet ist.
Sammler des Bayerischen Wörterbuchs
Die Wortartikel des Bayerischen Wörterbuchs
beruhen zu einem nicht unbeachtlichen Teil auf Angaben von Gewährsleuten aus
ganz Altbayern. Im Orts- und Quellenverzeichnis werden die Gewährsleute (Stand
1993) angeführt. Noch heute versendet die Redaktion jährlich vier bis sechs
"Wörterlisten", die dem Zweck der Ergänzung der bisherigen
Wörterbuchsammlungen dienen. Wer Interesse hat, an dieser Aktion zur
Dokumentation und Archivierung bairischer Dialektwörter teilzunehmen, kann sich
bei der Redaktion des Bayerischen Wörterbuchs, Bayerische Akademie der
Wissenschaften, Marstallplatz 8, 80539 MÜNCHEN (oder telefonisch bei Frau
Modrow, 089/23031-178) melden.
Die Wörterlisten
Seit 1958 werden die Fragebögen mit
"Wörterlisten" verschickt; die Anzahl der ehrenamtlichen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dankenswerterweise die Mühe auf sich
nehmen, diese Listen auszufüllen, liegt um fünfhundert. Leider haben wir in den
letzten Jahren durch Tod nicht wenige Gewährsleute verloren, die seit Beginn
der Aktion dabei waren. Mit Freude nehmen wir jeden auf, der bereit ist,
mitzuarbeiten.
Für neue Sammler sei kurz der Kopf der
Wörterliste erläutert: Hier wird um Angabe des Sammlerorts und des
Altlandkreises gebeten. Es ist diese Angabe, und nicht Ihre Postanschrift, die
uns zur Einordnung Ihrer Mundart dient. Wenn Sie aber die Fragen der
Wörterlisten mit kompetenten Mundartsprechern besprechen und sie dann nach der
Angabe dieser Gewährsleute ausfüllen, dann geben Sie bitte die Heimat Ihrer
Gewährsleute als Sammlerort an.
Die Fragen der Wörterlisten entstehen aus
einer Durchsicht des bereits gesammelten Materials. Hier zeigen sich immer
wieder Lücken verschiedener Art.
- Manchmal ist eine Angabe unklar. So fragen
wir in Wörterliste 135, Frage 12 nach einer derlauerten Hütte, eine
Sammlermeldung aus Miesbach aus den 1930er Jahren aufgreifend. Unsere heutigen
Sammler aus dem Landkreis Miesbach konnten gleich ein Mißverständnis aufklären
- wir hätten richtig eine derlanerte Hütte lesen müssen (von Lahn
'Lawine').
- Oft ist es so, daß ein Wort nur selten
gemeldet worden war, daß wir aber annehmen, daß es weiter verbreitet ist. In
Wörterliste 135, Frage 2, war nach knofeln "Geld abspielen,
abpressen" gefragt worden. Ein einziges Mal war dieses Wort - aus
Niederbayern um 1914 - bezeugt. Sammler aus Ober- und Niederbayern konnten
unsere Annahme bekräftigen, daß das Wort noch heute bekannt und gebräuchlich
ist.
- Meist fehlen in den älteren
Sammlermeldungen die für uns sehr wichtigen Belege für die Verwendung des Worts
im Satzkontext. Aus diesem Grunde werden wir nie müde, Sie immer und immer
wieder um Satzbelege zu bitten.
- Sehr wertvoll sind für uns auch ausführliche
Sacherläuterungen. So ist etwa in den ursprünglichen Fragebogen aus der
Gründerzeit des Wörterbuchs nach beliebten Kartenspielen gefragt worden; neben
vielen anderen ist eine Einzelmeldung für ein Spiel Bauern aus dem Land
treiben eingegangen; ebenso auf eine Frage nach Kinderspielen eine Meldung
für Bären aus dem Land treiben. In Wörterliste 122/13 und 122/14 fragten
wir nach dem Bekanntheitsgrad und nach den Spielregeln dieser beiden Spiele und
erhielten auch erschöpfende Auskünfte.
- Es ist für uns auch wichtig zu wissen, wo
ein Wort gebraucht wird und wo nicht. Wie oft kommt es vor, daß ein
Dialektausdruck aus der Oberpfalz in Oberbayern unbekannt ist - oder umgekehrt!
Der Regensburger sagt zur 'Tüte' Rogel, der Rosenheimer Stranize(l),
der Tirschenreuther Guckern, der Friedberger Gstatl. Wie weit
reichen aber insgesamt die genannten Wörter? Wo genau ist welches Wort bekannt?
In diesem und in vielen anderen Fällen sind auch die negativen Antworten in den
Wörterlisten für uns wichtig - die Aussage "hier nicht bekannt" ist
sehr wertvoll, auch wenn uns klar ist, daß es Ihnen keine besondere Freude
macht, ganze Wörterlisten mit dieser Angabe ausfüllen zu müssen.
Selbstverständlich ist es für uns wertvoll, wenn Sie in solchen Fällen den bei Ihnen
üblichen Mundartausdruck statt des gefragten angeben.
*********************
Die
mundartlichen Verhältnisse in der Region München
Im März 1999 ist die Dissertation Die
mundartlichen Verhältnisse in der Region München von Bernhard Stör
erschienen (zwei Bände im Schuber, 984 S., Verlag Peter Lang). Bei dieser
Arbeit handelt es sich um die Untersuchung der Dialekte im zentralen Oberbayern.
Dabei werden die ältesten Formen der bäuerlichen Mundarten im Einzugsgebiet der
bayerischen Landeshauptstadt mit den neuesten sprachlichen Entwicklungen in
München und im städtischen Nahbereich in Bezug gestellt.
Die in etwa 350 Erhebungsorten zwischen
Lechrain und Isengau sowie von der Hallertau bis zum Alpensaum gesammelten
Sprachdaten sind auf rund 550 Seiten und anhand von mehr als 150 Tabellen zu
jungmundartlichen Neuerungsbewegungen eingehend erläutert und kommentiert.
Zahlreiche auf markante mundartliche Lautformen bezogene Neckprüche sowie die
Miteinbeziehung zahlreicher Ortsnamen in ihrer altmundartlichen Lautform
lockern den Text auf.
Die interessantesten lautlichen,
morphologischen und lexikalischen Phänomene sind auf 300 großen und 130 kleineren
Sprachkarten in ihrer räumlichen Verteilung dargestellt (Maßstab 1 : 400.000).
Soweit vorhanden, sind ältere Kartierungen aus den 40er, 50er und 60er Jahren
von Bruno Schweizer, Eberhard Kranzmayer und Ingo Reiffenstein zu
Vergleichszwecken integriert, um dialektale Änderungsbewegungen der letzten
Jahrzehnte zu veranschaulichen.
Außerdem: 9 Sonagramme zur Veranschaulichung
der mittelbair. Konsonantenschärfung nach Kurzvokal
("Silbenstrukturregel") und eine Liste mit den mundartlichen
Lautformen von mehr als 350 Orten im zentralen Oberbayern.
Die mundartlichen Lautformen sind anhand
einer zwar wissenschaftlichen, aber doch einigermaßen verständlichen, da
vereinfachten Lautschrift (Teuthonista) wiedergegeben, deren Verständnis keine
größeren Schwierigkeiten machen dürfte. Alle verwendeten Lautzeichen sind
erklärt.
Da sowohl der Textteil als auch die Legende
und Kommentare zu den Karten in wissenschaftlichem Stil gehalten sind, läßt
sich ein gewisser Anteil an "Fachchinesisch" nicht vermeiden. Auf
Wunsch kann jedoch vom Autor kostenlos sowohl eine umfassende Liste mit
Erklärungen der vorkommenden sprachwissenschaftl. Ausdrücke sowie mit
zusätzlichen Erläuterungen zu der verwendeten Lautschrift angefordert werden,
die es auch dem interessierten Laien ermöglicht, in die "Geheimnisse"
der Dialektforschung einzudringen
Der Autor wurde 1949 in München geboren. Er
studierte an der Ludwig- Maximilians-Universität in München Germanistische
Sprachwissenschaft, Mittelhochdeutsch und Phonetik. Seit 1989
ist er als Mitarbeiter am Sprachatlas von Oberbayern und seit 1991 auch
an dem soziolinguistischen Ergänzungsprojekt Sprachregion München mit
der Erforschung der Mundart in Oberbayern befaßt.
Bernhard
Stör, Bergsonstr. 91, 81245 München
Europ. Verlag d. Wissensch., Peter Lang
GmbH, Eschborner Landstr. 42-50, 60489 Frankfurt/M.
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