Dialekt: Wenn sich die Kiuzn zur Kerzn wandelt

Forscher untersuchen die Sprache in unserer Region – große Unterschiede

Berchtesgadener Land – In Surheim ist es der «Misseng», in Tittmoning «Odl» und in Ruhpolding «Bria». So wie Eskimos angeblich 100 Worte für Schnee kennen, gibt es in Bayern beinahe ebenso viele für den «duftenden» Dünger, den die Bauern regelmäßig aus dem Stall auf ihre Felder ausbringen. Der erste sprechende Dialektatlas gibt nun gezielt Aufschluss über die kleinen Feinheiten und Unterschiede unserer Mundart.
Der bayerische Dialekt ist nicht unmittelbar vom Aussterben bedroht, befinde sich aber durchaus im Wandel, stellten bayerische Sprachwissenschafter fest. In der Bundesrepublik gab es bereits Bestrebungen, den Dialekt via Schulunterricht auszumerzen. Doch die Mundart ist nicht so einfach umzubringen. «Die Sprache und natürlich auch die Sprecher ändern sich ständig», bringt der Salzburger Sprachwissenschaftler Hannes Scheutz das Problem mit der Mundart auf den Punkt. Gemeinsam mit seinem Team hat er im Rahmen des EuRegio-Projekts «Drent und herent» interessante Beobachtungen über die Dialekte im bayerisch-salzburgischen Grenzgebiet gemacht.
Der sprechende Dialektatlas beinhaltet eine CD, auf der man nachhören kann, wie bestimmte Ausdrücke beispielsweise in verschiedenen Gemeinden in den Landkreisen Berchtesgadener Land und Traunstein klingen. Dialekt sei keine Frage der Bildung, sondern nach wie vor gut in allen Gesellschaftsschichten vertreten, betonte er.
Paradebeispiel für regionale Unterschiede ist die Jauche: Während sie in Tittmoning «Odl» genannt wird, riecht es in Surheim vom «Misseng» und in Ruhpolding nach der «Bria». In Oberfeldkirchen werden «Eiglbeern» gesammelt, in Garcham «Heidlbean» und in Schneizlreuth gar «Moosbeerl». In Bischofswiesen schenken Kavaliere «rote Rosn», in Petting aber «roude Rousn». Dialektausdrücke zeigen Zusammengehörigkeit an. So verwundert es nicht weiter, dass die Menschen im einen Ort gleich völlig anders sprechen als jene, die nur wenige Kilometer weiter leben. «Besonders das Alt-Salzburgische hat sich im Rupertiwinkel fast besser erhalten als in Salzburg selber», wies Hannes Scheutz auf ein Ergebnis seines Forschungsprojekts hin. Die Dialekte zeigen ganz deutlich, dass diese Gebiete früher zusammengehört haben, so Scheutz.
Der direkte Generationenvergleich auf der CD des Dialektatlas’ zeigt ganz deutlich, dass die Mundart in Traunstein und dem Berchtesgadener Land einen hohen Stellenwert besitzt, dennoch sind zwischen der Großeltern- und der Enkel-Generation bereits große Unterschiede erkennbar. In Surheim beißen Junge in «a hoats Brod», Alte in «a hiachts Broud». In Tittmoning fahren junge Autofahrer auf der «Straß», alte auf der «Stroßn». Und während in Bischofswiesen bei den Enkeln die «Kerzn» brennen, zünden die Großeltern die «Kiuzn» an.
Interessante Aufschlüsse geben auch die oberbayerischen Ortsnamen. Links von Saalach und Salzach häufen sich vor allem im Rupertiwinkel alte –ing-Namen wie Freilassing, Piding oder Ainring, die immer eine gewissen Zugehörigkeit anzeigen. Ortsnamen, die –reut oder –reit beinhalten, weisen auf großflächigere Rodungen von Waldgebieten zur Besiedelung hin. Der Dialektatlas liegt kostenlos im Freilassinger Rathaus sowie im Landratsamt Berchtesgadener Land auf.

Michaela Hessenberger 12.06.2007

Artikel drucken       Fenster schliessen


URL zu diesem Artikel:
http://www.ruperti-nachrichten.de/zet_report_387_16322.html
Copyright 2007 by rupertigau-nachrichten.de