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Sedlaczek am Mittwoch

Ein Steuerakt als Stolperstein

Robert Sedlaczek ist Au tor der Bücher „leet & leiwand - das Lexikon der Jugendsprache“ und „Das österreichische Deutsch“.

Robert Sedlaczek ist Au tor der Bücher „leet & leiwand - das Lexikon der Jugendsprache“ und „Das österreichische Deutsch“.

Der Steuerakt eines EADS-Lobbyisten bringt manche Journalisten ins Schleudern. Heißt es der Akt oder die Akte? Und wie lautet eigentlich die korrekte Mehrzahl?

"Eurofighter: Matznetter jetzt für Herausgabe der Steininger-Steuerakte " – so konnte man es in der Überschrift einer APA-Meldung lesen. Und weiter im Text: "Für Finanz-Staatssekretär Matznetter besteht kein Anlass mehr, die vom Eurofighter-Untersuchungsausschuss angeforderten Steuerakten des EADS-Lobbyisten Erhard Steininger zu schwärzen und damit großteils unkenntlich zu machen. Im Ö1-Morgenjournal am Donnerstag empfahl Matznetter dem Ministerium, die Akten rasch ‚im geforderten Umfang‘ zur Verfügung zu stellen."

Eine Tageszeitung hat wie folgt getitelt: "Eurofighter: Koalitionskrach um die geschwärzten Steuerakte !" Die Meldung selbst beginnt mit folgendem Text: "Neuer Koalitionskrach in der Causa Eurofighter. Konkret um das Schwärzen und Weißen von Steuerakten ."

Ich gebe zu – das Thema ist knifflig, man muss etwas weiter ausholen.

Die schriftlichen Unterlagen in einem behördlichen, gerichtlichen oder geschäftlichen Vorgang bezeichnet man in Österreich mit einem maskulinen Wort: der Akt . In Deutschland ist hingegen die feminine Form üblich: die Akte . Wie kam es zu diesem Unterschied in der gemeinsamen Sprache der Deutschen und der Österreicher?

Das Wort leitet sich von lateinisch agere ab, wobei mit acta , einem Mehrzahlwort, "das Verhandelte" umschrieben wird. Die Einzahlformen sind Rückbildungen, wobei in Österreich das männliche Geschlecht gewählt wurde, in Deutschland hingegen das weibliche. Es hat den Anschein, dass man in Deutschland Verwechslungen mit der Akt (= Bild eines nackten Körpers) vermeiden wollte – ein Begriff, der im 18. Jahrhundert in der Malerei erstmals auftaucht. Auch dabei ist lateinisch agere Pate gestanden.

Wir können damit den ersten Teil der Übung abschließen, wobei man sagen muss, dass in den österreichischen Zeitungen in der Einzahl meist ohnedies der Akt verwendet wird – mit Rücksicht auf die Gepflogenheiten des österreichischen Deutsch. Die Akte klingt in unseren Ohren fremd.

Da der Akt eine "Sammlung von schriftlichen Unterlagen" ist, könnte man auf die Mehrzahlbildung im besprochenen Fall durchaus verzichten, es sei denn, man will zum Ausdruck bringen, dass es sich um mehrere derartige Sammlungen handelt – beispielsweise für jedes Steuerjahr eine eigene. Damit beginnt das eigentliche Problem.

Das Wort der Akt hat nämlich folgende Mehrzahlbildungen: 1. Fall: die Akten, 2. Fall: der Akten, 3. Fall: den Akten, 4. Fall: die Akten. Es wird also nach dem Muster der Staat/die Staaten, der Strahl/die Strahlen dekliniert.

Im deutschen Deutsch, wo es in der Einzahl die Akte heißt, sehen die Mehrzahlformen genauso aus: 1. Fall: die Akten, 2. Fall: der Akten, 3. Fall: den Akten, 4. Fall: die Akten.

Anders hingegen die Mehrzahl von der Akt (= Bild eines nackten Körpers): 1. Fall: die Akte, 2. Fall: der Akte, 3. Fall: den Akten, 4. Fall: die Akte.

Der Akt bedeutet im gesamten deutschen Sprachraum nicht nur "Bild eines nackten Körpers", sondern auch "Handlung, Vorgang, Tat" (z. B.: rechtswidrige Akte), "Feierlichkeit, Zeremonie" (z. B.: die Festakte zogen sich hin) und "abgeschlossene Einheit eines Bühnenstücks" (z. B.: das Stück hat drei Akte).

Das alles ist ziemlich verwirrend. Hier eine einfache Gedächtnisstütze: Wenn es um eine Sammlung geschwärzter Schriftstücke der Finanz geht, muss es der Akt/die Akten heißen. Wir sagen ja auch der Aktenkoffer, die Aktenberge etc. Lässt ein EADS-Lobbyist die Hose runter, um sein nacktes Hinterteil vor den Fotografen zur Schau zu stellen, dann heißt es hingegen der Akt/die Akte . Das ist gleichzeitig ein Akt der Unhöflichkeit.

Ihre Meinung an:

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Mittwoch, 09. Mai 2007

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