Berlin (dpa) - Nach Ansicht von zwei Dritteln der Bundesbürger
(65 Prozent) droht die deutsche Sprache «mehr und mehr zu
verkommen». Das hat eine im April 2008 unter 1820 ausgewählten
Personen durchgeführte Umfrage des Instituts für Demoskopie
Allensbach ergeben.
Als Ursachen dafür werden unter anderem genannt, dass weniger
gelesen und mehr ferngesehen wird, der Einfluss anderer Sprachen auf
die deutsche Sprache stark zunimmt und ganz allgemein weniger Wert
gelegt wird auf eine gute Ausdrucksweise. Das betreffe vor allem das
Elternhaus, die Schule, die Medien und insbesondere auch die
Kommunikation per SMS oder E-Mail. Hinzu kämen immer mehr
unverständliche Abkürzungen. 42 Prozent der Befragten urteilen, dass
sich viele Menschen heute schlechter ausdrücken können als noch vor
20 oder 30 Jahren.
Allerdings gibt es dabei deutliche Altersunterschiede, jüngere
Menschen sehen auch positive Entwicklungen. In einer Umfrage für den
Deutschen Sprachrat und die Gesellschaft für deutsche Sprache wird
von jedem Dritten angemerkt, dass der Wortschatz heute größer ist
als früher und dass vor allem durch die Arbeit am Computer sogar
mehr gelesen und geschrieben wird als früher. 18 Prozent, darunter
viele Jüngere, haben sogar den Eindruck, dass die deutsche Sprache
vielseitiger und lebendiger geworden ist.
«Klagen über Sprachverfall gibt es seit den alten Ägyptern und
den alten Griechen, vor allem von der älteren Generation»,
relativierte Rudolf Hoberg, Vorsitzender der Gesellschaft für
deutsche Sprache, die jüngsten Umfrageergebnisse, nach seinen Worten
die umfassendsten dieser Art seit über zehn Jahren. «Jede Sprache
verändert sich im Laufe der Zeit.» Hoberg lehnt «Sprachgesetze» zur
«Rettung der deutschen Sprache» ab, seine Gesellschaft könne aber
beratend tätig sein. Auch die in der Umfrage wieder zutage getretene
breite Ablehnung der Rechtschreibreform (nur neun Prozent haben sich
bis heute mit ihr angefreundet) verschleiere die Tatsache, «dass die
meisten Menschen auch vorher schon immer mit der Rechtschreibung
nicht zurecht gekommen sind».
Viele der Befragten beklagten, dass immer weniger Wert gelegt
werde auf eine gute Ausdrucksweise. So räumten insgesamt 63 Prozent
ein, das anstößige Wort «Scheiße» selbst zu verwenden - bei Männern
sind es sogar 72 Prozent und bei Frauen nur 56 Prozent. An die
zunehmende Verwendung englischer Ausdrücke wie Kids, Event oder
Meeting haben sich inzwischen viele Deutsche gewöhnt, aber 39
Prozent - vor allem Ältere - stören sich daran. Die Mehrheit fordert
aber auch eine stärkere Verwendung der deutschen Sprache in der EU
angesichts des stärkeren deutschsprachigen Bevölkerungsanteils
gegenüber Englisch und Französisch in Europa.
Bei der Frage, welche Sprache Kinder heutzutage in der Schule vor
allem lernen sollten, folgt überraschend nach Englisch, Französisch
und Spanisch das Chinesische bereits an vierter Stelle. Dialekt oder
Mundart wird noch von jedem zweiten Deutschen gesprochen, mit leicht
sinkender Tendenz. Bayerisch (korrekt allerdings Bairisch
geschrieben) und norddeutsches Platt bleiben am beliebtesten, die
Berliner rangieren an dritte Stelle). Die verbreitete Abneigung
gegenüber dem Sächsischen hat sich eher noch verstärkt.
© sueddeutsche.de - erschienen am
13.06.2008 um 16:49 Uhr