31. Januar 2008, 07:21 – Von Daniel Schneebeli

Kindergärtnerinnen favorisieren Mundart

Auch im Chindsgi soll künftig Hochdeutsch gesprochen werden. Nun wehren sich die Kindergärtnerinnen. Sie sehen das kindgemässe Spiel und das Schweizerdeutsch in Gefahr.

Der Pisa-Schock aus dem Jahr 2000 hat nun auch den Kindergarten erreicht. Damals hatte die internationale Studie die schlechten Leseleistungen der Schweizer Schüler aufgedeckt. Um die Deutschkompetenzen der Zürcher Jugend zu verbessern, hat der Bildungsrat von den Lehrpersonen den konsequenten Gebrauch von Hochdeutsch verlangt.

Nun soll auch im Kindergarten Hochdeutsch gelehrt werden - mindestens teilweise. Der neue Lehrplan, der im Moment noch in der Erprobungsphase steckt, sieht vor, dass Mundart und Hochsprache künftig gleichwertig sein werden. Die Kindergärtnerin soll beispielsweise Einzelgespräche und den persönlichen Austausch mit den Kindern in Standardsprache führen.

Nun wächst aber der Widerstand unter den Kindergärtnerinnen. Der Verband Kindergärtnerinnen Zürich (VKZ) hat unter den knapp 600 Mitgliedern nachgefragt. Tenor: Wir wollen Mundart sprechen. 116 Kindergärtnerinnen aus 47 Gemeinden haben ihre Meinung abgegeben. Verbandspräsidentin Gabi Fink bezeichnet die Umfrage nicht als repräsentativ, aber als «relevant». Die grosse Mehrheit ist der Ansicht, im Kindergarten müsse der Dialekt Unterrichtssprache bleiben. 28 Kindergärtnerinnen finden sogar «ausschliesslich». 83 sträuben sich nicht grundsätzlich gegen Hochdeutsch, aber es soll nur in Sequenzen (Lieder, Verse, phonologisches Training) angewendet werden, und zwar erst im 2. Kindergartenjahr.

«Die Umfrage gibt das Stimmungsbild unter den Kindergärtnerinnen gut wieder», sagt Fink. Es gebe viel Unmut über die «Bildungsexperten». «Erst müssen die Kinder richtig Dialekt sprechen», findet Kindergärtnerin Fink. Sie hat in ihren 20 Berufsjahren festgestellt, dass die Kinder mit immer schlechterem Wortschatz in den Kindergarten kommen. Darum sei die Mundartförderung wichtiger als früher. Mundart diene den meisten Kindern als Basis für das Lernen weiterer Sprachen. Gabi Fink wehrt sich dagegen, dass man die Kinder als Versuchskaninchen missbraucht: «Das lassen wir nicht zu.» Astrid Müller, VKZ-Vorstandsmitglied, empfindet den Einzug des Hochdeutschen gar als Bedrohung. Im Zürcher Stadtkreis 5, wo sie unterrichtet, würden viele Ausländerkinder Mundart nicht verstehen. «So geht unsere Sprache verloren.»

Unbegründete Angst?

Sprachwissenschaftler widersprechen. Es sei ein Trend zur Mundart zu beobachten. Für Peter Sieber, Prorektor an der Pädagogischen Hochschule Zürich wird der Einfluss der Schule auf den Spracherwerb «masslos überschätzt», denn einen grösseren Teil ihres Lebens würden Kinder ausserhalb der Schule verbringen. Als falsch bezeichnet Sieber die Aussage, ein Kind müsse erst eine Muttersprache beherrschen, um weitere Sprachen zu lernen. Neuere Studien belegten, dass zweisprachiges Aufwachsen für den Spracherwerb nicht schädlich sei.

Dennoch hat Sieber Verständnis für die Kindergärtnerinnen. Die meisten hätten keine Erfahrung mit der Standardsprache im Unterricht. Es habe sich aber gezeigt, dass sich Lehrpersonen schnell an den Gebrauch von Hochdeutsch gewöhnen. Wie zum Beispiel in Schlieren, wo vor gut einem Jahr gegen grosse Widerstände auch von Eltern Hochdeutsch am Kindergarten eingeführt wurde. Laut Sibylle Lucey vom Schulsekretariat haben sich aber die Wogen geglättet. Für die anderen Kindergärten im Kanton könnte Schlieren Vorbild werden, denn schon im nächsten Sommer wird der Bildungsrat den neuen Lehrplan in Kraft setzten.

© Tamedia AG  – Quellen: tagesanzeiger.ch – Agenturen  –  » Fenster schliessen