Region : 3. März 2008 22:05

Gegen die «Gassen-Mundart»

Diskussionen um Hochdeutsch im Kindergarten

Im Kindergarten gibt es zu viel Hochdeutsch und zu wenig Mundart, findet der Rütner Kantonsrat Stefan Dollenmeier. Die Ustermer Fachfrau Marlies Stopper ist anderer Meinung.

Michael Leemann

Neu ist sie eigentlich nicht, die Diskussion um die Unterrichtssprache in Schulen und Kindergärten. Nun aber erhält sie wieder Aufwind - weil auf das nächste Schuljahr hin ein Lehrplan für Kindergarten und Grundstufe eingeführt werden soll, der dann für mindestens drei Jahre für verbindlich erklärt wird.

Schweizerdeutsch fördern

Zur Unterrichtssprache im Kindergarten wurde letzte Woche ein Postulat im Kantonsrat eingereicht, das am 10. März behandelt werden soll. Mitunterzeichnet hat den Vorstoss der Rütner EDU-Kantonsrat Stefan Dollenmeier.
Im Postulat heisst es, dass es zwar «einleuchtend» sei, das Hochdeutsche nicht ganz zu verbieten - doch der Regierungsrat müsse dafür sorgen, dass die Mundart «das ihr zukommende Gewicht behält». Denn dies, so die Verfasser des Postulates, sei nicht gewährleistet: Die Bildungsdirektion wolle das Schweizerdeutsche nämlich «fast ganz aus dem Kindergarten verbannen». Schon heute gebe es Kindergärten, in denen die Mundart nicht mehr erlaubt sei.

«Das wäre gegen das Gesetz»

Darüber runzelt man beim Kanton lediglich die Stirn. «Es ist mir absolut ein Rätsel, woher diese Anschuldigungen kommen», erklärt Martin Wendelspiess, Vorsteher des Volksschulamts, auf Anfrage. Die Verlautbarungen seien klar gewesen: «Wir empfehlen, im Kindergarten etwa hälftig Mundart und hochdeutsch zu reden», so Wendelspiess. «Das Alles-oder-nichts-Prinzip wäre gegen das Gesetz.» Das Gesetz nämlich schreibt vor, dass im Unterricht «teilweise» Hochdeutsch gesprochen werden muss. «Wir wollen und dürfen deshalb keine der beiden Sprachen an den Rand drängen.»

Heutige Situation lässt Spielraum

Eine Befürworterin der gesetzlichen Regelung ist Marlies Stopper. Die Ustermerin ist Präsidentin der Vereinigung Zürcher Kindergartenbehörden. Ihre einzige Kritik am neuen Lehrplan: «Dass die beiden Sprachen etwa gleich oft gesprochen werden sollen, ist eine zu enge Definition.» Die gesetzliche Formulierung, dass im Kindergarten «teilweise» Hochdeutsch gesprochen werden müsse, lässt den Kindergartenlehrpersonen viel mehr Spielraum.
Dass aber in den Kindergärten auch hochdeutsch gesprochen werden muss, davon ist Stopper überzeugt. «Hochdeutsch ist ein Teil unseres Lebens», findet sie: «Im Kindergarten bekommen die Kinder einen unverkrampften Zugang dazu.» So müssten auch lediglich die Lehrpersonen Hochdeutsch sprechen, nicht aber die Kinder. Diese dürfen wählen, welche Sprache sie sprechen wollen - und werden von den Kindergartenlehrpersonen auch nicht korrigiert, wenn sie Fehler machen. «Es ist schade, erst in der Primarstufe mit dem Hochdeutschen zu beginnen», findet Stopper, «denn dann verbinden die Kinder das Hochdeutsche schnell einmal mit mühseligem Lernen.»

«In der Schule noch genug Zeit»

Anders sehen das die Postulanten. «Die Kinder sollen sich in der Schule auf die Schriftsprache konzentrieren», meint Kantonsrat Stefan Dollenmeier. «Da haben sie noch Jahre Zeit, die Sprache zu erlernen.» Heute sieht für ihn die Realität indes so aus, dass die Mundart immer mehr in die Ecke gedrängt wird. «Hier wollen wir mit unserem Postulat ansetzen und Gegensteuer geben.»
Für den Primarlehrer ist die Mundart nämlich nicht zuletzt ein wesentlicher Beitrag zur Integration. «Das Schweizerdeutsche ist für mich ein Teil der Kultur und der Identität der Schweiz», erklärt er. Kinder mit ausländischen Wurzeln sollten nicht etwa die Schriftsprache erlernen, sondern die Alltagssprache. «Diese brauchen sie ja auch, wenn sie mit anderen Kindern spielen.»
Aber auch für Schweizer Kinder sei es wichtig, dass die Mundart die Hauptsprache im Kindergarten ist, glaubt Dollenmeier: «Die Kindergärtler sollen eine ‹reine› Mundart lernen und nicht etwa ein Gassen-Schweizerdeutsch.»

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