Donnerstag 3. April 2008, Region

Den «Znüni» gibt's auf Schweizerdeutsch
Mit Hochdeutsch im Unterricht hat man an den Schaffhauser Kindergärten in den vergangenen Jahren gute Erfahrungen gemacht.

VON Adrian Schumacher
Seit bald dreieinhalb Jahren machen die Schaffhauser Kindergärtler «direkte Hör- und Verständniserfahrungen mit Hochdeutsch», wie dies eine entsprechende Weisung des Erziehungsrats aus dem Jahr 2004 fordert. Konkret werden in Erzählungen und Spielen Situationen geschaffen, in denen die Kinder selbst mit Hochdeutsch experimentieren sollen. Im zweiten Kindergartenjahr soll der Anteil Hochdeutsch als Unterrichtssprache erhöht werden, so die Erwartung des Erziehungsrats. «Die Startbedingungen für Hochdeutschförderung sind im Kindergarten und auf der Unterstufe besonders günstig. Kinder in diesem Alter sind dem Hochdeutsch gegenüber positiv eingestellt. Sie akzeptieren Hochdeutsch ganz selbstverständlich als eine Sprache neben ihrer Mundart. Dieses Potential gilt es gezielt zu nutzen, um dadurch günstige Voraussetzungen für den weiteren Spracherwerb in Hochdeutsch zu schaffen», heisst es in der Begründung des Schaffhauser Erziehungsrats.
Viel Freiraum bei der Umsetzung
Vor dem Hintergrund der Pisa-Studie 2000, die den Schweizer Schülern schlechte Noten im Bereich der Lesekompetenz ausgestellt hatte, haben praktisch alle Kantone damit begonnen, bereits im Kindergarten Unterrichts-«Inseln» auf Hochdeutsch anzubieten. Andernorts gehen die Bildungsverantwortlichen bedeutend weiter als ihre Schaffhauser Kollegen: In neun Kantonen findet Schweizerdeutsch im Kindergarten nur noch in Modulen Platz, ausschliesslich Mundart wird nur noch in St. Gallen, Uri und Bern gesprochen, schrieb die «NZZ am Sonntag» in ihrer letzten Ausgabe. Die vom Erziehungsrat erlassene Weisung sei mittlerweile überall im Kanton umgesetzt worden, sagt die Schaffhauser Kindergarteninspektorin Sandra Mosberger. Die Kindergärtnerinnen geniessen bei der Erfüllung ihres Auftrags aber grosse Freiheiten. Entsprechend unterschiedlich werde die Weisung auch umgesetzt. «Je nach Klassengrösse, Ausländeranteil und dem zahlenmässigen Verhältnis zwischen Kindergärtlern im ersten und zweiten Jahr werden im Unterricht mehr oder weniger Hochdeutsch-«Inseln» angeboten.» Es ginge nicht darum, den kleinen Kindern ein bühnenreifes Deutsch beizubringen. Auch könne es im Kindergarten nicht primär darum gehen, die Lesekompetenz zu fördern. Das Ziel sei vielmehr, den Kindergärtlern eine Begegnung mit dem Hochdeutschen zu ermöglichen, ihnen somit Freude an der Sprache zu vermitteln. «In der Primarschule werden die Kinder später ausschliesslich auf Hochdeutsch unterrichtet. Das spielerische Üben im Kindergarten trägt dazu bei, dass der Übertritt in die Schule leichter verläuft.» Was die Kinder betrifft, so baut das Schaffhauser Modell auf Freiwilligkeit. «Sie dürfen immer Schweizerdeutsch sprechen. Die Weisung des Erziehungsrats gilt nur für die Kindergärtnerinnen.»
Sonderfall in Stein am Rhein
Hochdeutsch komme vorab bei Versen und Liedern zum Einsatz, an einigen Orten würden zudem Bilderbücher von den Kindergärtnerinnen zuerst auf Schweizerdeutsch, später dann noch auf Hochdeutsch erklärt. «In den Znünipausen, Turnstunden und auf Schulreisen wird nach wie vor Schweizerdeutsch gesprochen», versichert Mosberger. Quantitativ mache der Anteil des Hochdeutschen am ganzen Unterricht in den allermeisten Fällen kaum mehr als 10 bis 20 Prozent aus. Es ist der einzelnen Kindergärtnerin überlassen, wie viele Hochdeutsch-Sequenzen sie in den Unterricht einfliessen lassen will. Einen Sonderfall stellt ein Kindergarten in Stein am Rhein dar, wo die Lehrerin im Unterricht ausschliesslich Hochdeutsch spricht. «Sie tut dies, weil ihr Kindergarten von sehr vielen fremdsprachigen Buben und Mädchen besucht wird. Sollte sich daran im nächsten Jahr etwas ändern, wird sie möglicherweise den Unterricht wieder auf Mundart durchführen. Die Bedenken, wonach gerade fremdsprachige Kinder durch die Hochdeutsch-Sequenzen im Kindergarten überfordert werden könnten, teilt Sandra Mosberger nicht. «Über die Medien treten die Buben und Mädchen schon vor ihrer Zeit im Kindergarten mit Hochdeutsch in Kontakt. Sieht man ihnen beim Spielen zu, merkt man, dass einige von ihnen sich wie selbstverständlich auf Hochdeutsch unterhalten.»
Die Skepsis ist gewichen
Anfänglich sei bei den Kindergärtnerinnen eine gewisse Skepsis vorhanden gewesen. Einige hätten ein wenig Angst gehabt, den neuen Anforderungen nicht zu genügen, erinnert sich Mosberger. «Es gibt zwar Möglichkeiten zur Weiterbildung, zum Beispiel über die Sprachentwicklung des Kindes. Einen Deutschkurs für Kindergärtnerinnen bieten wir aber ganz bewusst nicht an. Vielmehr sollen die Kindergärtnerinnen im Unterricht Hochdeutsch sprechen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Anders gesagt heisst dies, dass die Unterrichtssprache während der Hochdeutsch-Sequenzen ein schweizerdeutsches Hochdeutsch sein darf, ja sein soll.» Nachdem im Rahmen von Konferenzen und durch erste Erfahrungen diesbezüglich latent vorhandene Vorurteile hätten abgebaut werden können, sei die kritische Haltung nach und nach verschwunden. «Heute wird in den Kindergärten ganz sicher mehr Hochdeutsch gesprochen als früher.» Offene Kritik, wie ihn der Verband der Kindergärtnerinnen im Kanton Zürich derzeit bezüglich des dort herrschenden Hochdeutsch-Modells formuliert, sei in Schaffhausen nie geäussert worden. Das liege wohl nicht zuletzt an den erwähnten Freiheiten, die den Kindergärtnerinnen bei der Umsetzung der Hochdeutsch-Module gewährt werden.
«Die Kinder dürfen immer Schweizerdeutsch sprechen. Die Weisung gilt nur für die Kindergärtnerinnen» «In den Znünipausen, Turnstunden und auf Schulreisen wird nach wie vor Schweizerdeutsch gesprochen»
Mit einzelnen Hochdeutsch-Modulen sollen die Buben und Mädchen, wie hier im Kindergarten Munothalde, spielerisch an die Unterrichtssprache der Primarschule herangeführt werden.  Archivbild Selwyn Hoffmann




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