25.02.2009
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Stand: 24.02.2009
Vergangene Woche sprach der Dialekt-Retter Sepp Obermeier am Südwild-Sendebus über den bairischen Dialekt. Inzwischen stellte die UNESCO ihren "Weltatlas der gefährdeten Sprachen" vor. Zu den 13 gefährdeten Regionalsprachen Deutschlands gehört - um Gods Wuin - auch das Bairische.
"Bairisch, der erotischste Dialekt Deutschlands!" So lautete noch 2003 das Ergebnis einer Umfrage des "Playboy". Ob man dem zustimmt oder nicht - um die Überlebenschancen der Mundart steht es mittlerweile schlecht: Bairisch ist eine gefährdete Sprache, zumindest nach Angaben der UNESCO. Zum Tag der Muttersprache legte nun die Organisation ihren dritten "Weltatlas der gefährdeten Sprachen" vor. Demnach gehört Bairisch neben zwölf anderen deutschen Dialekten zu den gefährdeten Mundarten.
Nach einer Untersuchung des Münchner Dialektologen Bernhard Stör sprechen nur noch 1,2 Prozent der Münchner Gymnasiasten Bairisch, von den Hauptschülern seien es ebenfalls nur 2,6 Prozent. Der Dialekt werde höchstens noch von zwölf Millionen Menschen gesprochen, so die UNESCO. Für Sepp Obermeier vom "Förderverein Bairische Sprache und Dialekte" ist die Aufnahme im UNESCO-Atlas ein "Armutszeugnis" für Bayern. "Die Schüler sind in der Liebe zur bayerischen Heimat zu erziehen", heißt es im Artikel 131 der Bayerischen Verfassung. Auf den Dialekt scheint sich diese gesetzlich verankerte Liebe nicht zu beziehen.
"Der Dialekt wird schon im Kindergarten ausgetrieben", sagt Obermeier. Doch Kinder lernen eine Sprache meist nur vor dem zehnten Lebensjahr akzentfrei. "Wenn sie in der Grundschule nicht von Altersgenossen den Dialekt erwerben, ist die Chance spätestens ab der Pubertät unwiederbringlich verloren." Zu oft werde das Bairische als "Pfuisprache", als verkommene Hochsprache angesehen, dabei sei der Dialekt 800 bis 1000 Jahre älter als die Standardsprache, so Obermeier. "Selbst Politiker loben oft, wie geeignet der bairische Dialekt ist, um im Zeitalter der Globalisierung Identität zu schaffen. Sie trauen sich aber nicht, ihre Reden auf Bairisch zu halten."
Die Sorge vieler Eltern, der Dialekt hemme das Erlernen des Hochdeutschen und die spätere Karriere, sitzt offenbar noch tief. Ein "Ammenmärchen", sagt Obermeier, denn eine Mundart zu beherrschen, sei die beste Grundlage für Mehrsprachigkeit. Mehrere Studien geben ihm recht. Demnach fördert das Hin- und Herschalten zwischen verschiedenen Sprachebenen ("Code Switching") das Erlernen von Fremdsprachen und das allgemeine Denkvermögen. Die Universität Oldenburg etwa wertete über Jahre Aufsätze von Dritt- und Sechstklässlern aus ganz Deutschland aus - die Dialektsprecher machten ein Drittel weniger Fehler.
Grund genug also, das Ansehen des Bairischen aufzupolieren. Mit dem
"Sprachwurzel"-Preis ehrt Obermaier seit Jahren Persönlichkeiten des
öffentlichen Lebens, die bei offiziellen Anlässen Bairisch sprechen. Der erste
Preisträger war Papst Benedikt XVI, "weil er bei seinen Privat-Audienzen immer
wieder Bairisch spricht." Den größten Handlungsbedarf sieht Obermeier jedoch in
der Jugendarbeit. In einem Kindergarten in Denkendorf bei Ingolstadt regte er
an, bairisch sprechende Kinder mit dialektfreien und Migrantenkindern zu
mischen. "Da haben norddeutsche, kubanische, rumänische und russische Kinder
ganz nebenbei und kostenlos einen Dialekt gelernt", sagt Obermeier, stolz auf
das Bairische als Integrationsmaßnahme.
Nach den Kriterien der UNESCO gilt eine Sprache bereits als gefährdet, wenn sie Kindern im alltäglichen Sprachgebrauch nicht mehr begegnet. Die UNESCO unterscheidet die "Vitalität" einer Sprache in fünf Stufen. Je weniger die Sprache etwa in den Medien und in Grundschulen benutzt wird, desto gefährdeter ist sie. Die UNESCO fürchtet, dass die Hälfte der derzeit rund 6700 Sprachen, die auf der Welt gesprochen werden, noch innerhalb dieses Jahrhunderts aussterben könnte. Bereits jetzt "stirbt" alle 14 Tage eine Sprache, das berechneten Wissenschaftler des "Living Tounges" Instituts für bedrohte Sprachen in Washington. Dahinter steckt offenbar ein einfaches Prinzip. Die beiden amerikanischen Mathematiker Steven Strogatz und Daniel Abrams prognostizierten den Niedergang von Sprachen mit einer vielfach getesteten Theorie. Demnach setzt sich, wenn zwei Sprachen miteinander konkurrieren, stets diejenige mit dem besseren sozialen Ansehen durch. Mit dem Tod des letzten Sprechers geht meist auch Wissen, Tradition und Geschichte unwiderruflich verloren. Fast die Hälfte aller Sprachen der Welt wurde nie schriftlich festgehalten.
Der interaktive Atlas
der UNESCO zeigt, wo und von wie vielen Menschen unterschiedliche
Sprachen auf der Welt (noch) gesprochen werden.