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ARTIKEL
vom 06.03.2009


PNP-Leser verraten ihre schönsten Dialekt-Wörter


Rund 250 Begriffe wurden eingesandt - Die Luser sind die Ohren, die Wafn eine schwatzhafte Frau - Vollständige Auflistung im RegioWiki


Den Moastock hat beim Eisstockschießen derjenige, der zwei Mal schießen darf. (Foto: dpa)
 



Von Stefan Rammer
Passau. Der Dialekt ist alles andere als vergessen. Es ist sogar eine Renaissance festzustellen, wozu Medien, aber auch Schulen sowie Kurse an Volkshochschulen beitragen. Und auch viele unserer Leser sind unserem Aufruf gefolgt, ihre schönsten Dialekt-Wörter auszuwählen und uns mitzuteilen. Rund 250 Wörter sind so zusammengekommen. Kaum eines wurde dabei doppelt genannt.
Dr. Andrea Schamberger-Hirt gehört zum fünfköpfigen Team der Kommission für Mundartforschung an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München, an der Mundartbegriffe gesammelt und ausgewertet werden. Auf dieser Grundlage erstellen die Sprachwissenschaftler das große vielbändige Bayerische Wörterbuch. Dort haben sich mittlerweile auch viele unserer Leser gemeldet, die sich als „Wortsammler“ zur Verfügung stellen. Sie bekommen regelmäßig einen Katalog mit 60 Fragen zugeschickt. So wächst das seit 80 Jahren gesammelte Material Wort um Wort auf mittlerweile mehrere Millionen an. „Bairisch stirbt nicht aus“, sagt Schamberger-Hirt, „Sprache ist ja lebendig, das heißt sie wandelt sich. “
Zehn der uns eingesandten Begriffe haben wir ausgewählt und nach München geschickt. Die aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck stammende Wissenschaftlerin hat die Dialektwörter erklärt.
Bifang: Eingeschickt von Erich Uttendorfer aus Bernried (Lkr. Deggendorf).
Der Bifang (oft auch Bifing, Bifen) ist das zwischen zwei Furchen liegende Ackerbeet, in dem z. B. Kartoffeln oder Rüben angepflanzt werden. Die Größe eines Ackers wurde früher oft auch nach der Zahl der Bifänge bemessen. Der Ausdruck Bifang ist dadurch zu erklären, dass dieses erhöht liegende Ackerbeet von beiden Furchen umfangen bzw. befangen ist. In Bifang hat sich das alte volltonige i erhalten und wurde nicht zu e abgeschwächt (wie in befangen). Der Grund dafür ist, dass volltonige Laute nur in unbetonten Silben zu e abgeschwächt wurden, Bifang aber auf der ersten Silbe betont ist
(befangen dagegen auf der zweiten Silbe).
Loamsiader: Anneliese Pichelmeier aus Massing (Lkr. Rottal-Inn).
Loamsiader ist in Altbayern ein Ausdruck für einen langweiligen Menschen. Loam steht für „Leim“ oder auch „Lehm“, und ein Siader ist jemand, der etwas kocht oder zum Sieden bringt. Um den früher üblichen Knochenleim herzustellen, mussten Rinderknochen in einem langwierigen Verfahren stundenlang im Wasser ausgekocht werden. Da diese Tätigkeit sicher ziemlich langweilig gewesen sein dürfte, hat sich der Sprachgebrauch daraus entwickelt.
lusen, Luser, lusad: Dr. Ignaz Bauer aus Burghausen.
lusen und losen sind bairische Ausdrücke für „hören, horchen“. Die Ohren heißen daher in Bayern Luser oder Loser. Von dieser Grundbedeutung aus ist es nachvollziehbar, dass mit lusen auch das unentschlossene Grübeln (das In-sich-Hineinhören) gemeint sein kann und Luser in diesem Sinne ein antriebsloser Mensch ist (nicht zu verwechseln mit englisch loser „Verlierer“). Man kann das Wort sogar auf das Wetter übertragen: Ein Wetter, das drückend schwül ist, also kurz vor einem Gewitter steht und noch nicht recht „weiß, was es will“, wird ebenfalls als lusad („horchend“) bezeichnet.
Moastock: Rudi Fliegerbauer aus Gergweis (Lkr. Deggendorf).
Den Moastock hat beim Eisstockschießen derjenige, der zwei Mal schießen darf. Meier (Moar) wird nämlich der Anführer der jeweiligen Mannschaft genannt. Der Ausdruck Meier stammt aus dem frühen Mittelalter: Ein Verwalter

Stranitzn bedeutet Papiertüte

eines herrschaftlichen Fronhofs wurde - nach römischem Vorbild - maior domus (Hausmeier) genannt, wörtlich übersetzt „der Größte der ganzen Hausgemeinschaft“. In späterer Zeit bezeichnete man auch die Vorsteher einer Dorfgemeinschaft oder die Pächter von kleineren Höfen als Meier, und zwar vor allem in Süddeutschland und Westfalen, daher ist der Familienname Meier/Maier/Mayr u. Ä. dort besonders häufig anzutreffen. In den anderen Gegenden Deutschlands wurden solche Verwalter und Dorfvorsteher dagegen Hofmann oder Schulte/Schulze genannt, weshalb diese Familiennamen dort gehäuft auftreten.
Stranitzn, Stanitzn, Staritzel, Scharmitzel: Josef Halser aus Wallerfing (Lkr. Deggendorf).
So wird in Teilen Bayerns und Westösterreichs eine Papiertüte genannt. Auch in einigen norditalienischen und alpenromanischen Dialekten findet man vergleichbare Wörter, die etwas mit der Papier- oder Lederherstellung - der Vorgänger des Papiers war ja das aus Tierhäuten hergestellte Pergament - zu tun haben, z. B. genuesisch scarnuccio „Fellinnenseite“ oder ladinisch scarnus „Tüte“. Die früheren Handelswege über die Alpen, auf denen sicher auch viele in Papier verpackte Waren transportiert wurden, sorgten für die Verbreitung dieses Wortes in Bayern, inklusive seiner vielen lautlichen Varianten.
Wafn, Gwaf: Claudia Brehm-Wammes aus Metten (Lkr. Deggendorf).
Eine schwatzhafte Frau wird im Bairischen als Wafn bezeichnet, wafen und wafeln sind verächtliche Ausdrücke für „sinnloses Zeug daherreden“. Diese Wortfamilie geht vermutlich auf hebr. bafel „minderwertiges Zeug“ zurück. Hoit dei Gwaf oder hoit dei Wafl bedeutet daher auch einfach „halt’s Maul“.
Glufn: Brigitte Pletl aus Kirchberg.
Mit einer Glufn können in Bayern unterschiedliche Gegenstände zur Befestigung von oder an Kleidungsstücken u. Ä. gemeint sein: Für den Altbayern ist a Glufn eine Sicherheits-, Steck-, Hut- oder Haarnadel, im nördlichen Bayerisch-Schwaben ist a Glufa dagegen eine Wäscheklammer. Das Wort ist vermutlich aus dem ober
italienischen Wort glove „Astgabel“ entlehnt, das seinerseits wiederum auf das alte deutsche Wort Kloben zurückgeht. Es handelt sich also um eine Art Reimport eines ursprünglich deutschen Wortes aus dem Italienischen. Kloben ist verwandt mit klieben (gesprochen kliem) „Holz spalten“. Die Bedeutung „gespaltenes Holz“ wird am ehesten in der Bedeutung Wäscheklammer deutlich: Früher war nämlich eine Wäscheklammer einfach nur ein gespaltenes oder geschlitztes Holzstück zum Aufstecken auf die Wäscheleine.

Gnetta is
finster worn

Zlexelt: Angela Beyer aus Frauenberg (Lkr. Freyung-Grafenau).
Zlexelt ist ein Holzfass, das nicht mehr dicht ist. Die eingetrockneten Faßbretter (Holzdauben) haben sich zusammengezogen, wodurch Lücken in der Faßwand entstanden sind. Das Wort zerlechseln hängt mit dem alten deutschen Wort lechen „austrocknen, vor Trockenheit rissig werden und Flüssigkeit durchlassen“ zusammen, das sich heute noch in lechzen „gierig nach etwas verlangen, dürsten“ erhalten hat.
Gnetta: Franz Xaver Hirl aus Eggenfelden.
Gnetta is finster worn sagt man im Rottal, wenn es gerade erst dunkel geworden ist. Genetter (gesprochen gnetta) ist eine erweiterte Form von nett „freundlich, hübsch“ bzw. netto „rein, ohne Verpackung, nach Abzug der Unkosten“. Das Wort stammt ursprünglich vom lateinischen nitidus „glänzend, sauber“ ab, das entweder über das französische net „rein, rechtschaffen“ oder über das italienische netto ins Bairische gelangt ist, wo es dann die Bedeutung „genau, gerade eben“ angenommen hat.
Muhackel: Sigrid Perl
Muhackel ist ein bairisches Schimpfwort für einen ungehobelten, sturen (aber gutwilligen) Menschen. Das Wort ist vermutlich eine Zusammensetzung aus Hache, Hackel „(grober, ungebildeter) Bursche“ und dem lautmalerischen Tierlaut Muh.

Wer bei der Fragebogenaktion mitmachen will, hier die Adresse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften: Alfons-Goppel-Straße 11, 80539 München oder post@kmf.badw.de
Eine vollständige Auflistung aller eingesandten Leserzuschriften finden Sie im RegioWiki der PNP unter http://www.niederbayern-wiki.de/.







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