"Riad" und "Tofeschbiz"
Renner,Fritz und Margareta: Highuacht und
aufgschriebm
Von
Heinz Dieter Pohl
Über ein gelungenes
niederösterreichisches Mundartlexikon.
Das
Interesse an unserer Mundart ist auch in letzter Zeit
nicht zurückgegangen, wie zahlreiche neu- oder
wiedererschienene Mundartwörterbücher belegen. Gut
gelungen ist etwa das niederösterreichische
Mundartlexikon von Fritz und Margareta Renner, das mehr
als eine bloße Wortsammlung darstellt.
Zwar wird (auf rund 310 Seiten) der Wortschatz
alphabetisch vorgestellt, darüberhinaus erfährt der
Benützer viel über Sprichwörter und Redensarten,
Liedertexte, allerlei Sprüche, spezielle Wortsammlungen
zur Küche und zum Schlachten, Übersicht über
Entlehnungen aus anderen Sprachen usw. (wobei sich
leider einige Irrtümer eingeschlichen haben).
Die Sammlung ist benutzerfreundlich geschrieben, die
einzelnen Mundartwörter werden entsprechend ihrer
Aussprache wiedergegeben, z. B. "Fuass" (Fuß),
"Käuwe/Keiwe" (Kalb, eigentlich Kälblein). Vielfach
werden die Wörter nach Aussprachevarianten angeführt,
z.B. "Schdoa" neben "Schda" (Stein).
Es liegt in der Natur der Sache, dass in den
Mundarten sehr viel altes Wortgut erhalten geblieben
ist. Auf dem Umschlag des Buches ist etwa ein "Fragner"
in traditioneller Berufsbekleidung zu sehen. Dieses
(einst im Tullnerfeld weit verbreitete) Gewerbe betrieb
Handel mit bäuerlichen Produkten. Seine Kunden waren oft
"Greissla", also kleine Lebensmittelhändler, die heute
fast verschwunden sind. Im Wort "Fragner"
(mittelhochdeutsch phra-, vragener "Kleinhändler")
steckt ein altes Wort für "Markt", (mittelhochdeutsch
"phragen" oder "vragen").
Aus dem alten bäuerlichen Wortschatz stammen auch die
Wochentagsbezeichnungen "Iada" ("Ergetag", Dienstag) und
"Pfinzda" oder "Pfingsda" ("Pfinztag", Donnerstag – dazu
auch "Antlaspfingsda", Gründonnerstag).
All diese Wörter gehören dem typisch
bairisch-österreichischen Wortschatz an (im Unterschied
zum Freistaat Bayern schreibt man den alten deutschen
Stamm der Baiern mit -i-). Niederösterreich liegt im
mittelbairischen Mundartgebiet, das sich etwa vom Lech
bis zur March erstreckt. Das Bundesland ist aber kein
homogenes Gebiet; so haben sich im Norden (Wald-,
Weinviertel) die sogenannten ui-Mundarten erhalten, in
den es nicht "Bua" oder "guat" heißt, sondern "Bui" und
"guit"; das 1850 erschienene Epos des bekannten
Mundartdichters Josef Misson heißt demnach "Da Naz, a
niederösterreichischer Bauernbui, geht in d’Fremd".
Interessant sind einige alte Ausdrücke, die
Krankheiten bezeichnen, z.B. "Afterhitz" und "-woif"
(Wolf bzw. Entzündung des Afters), "Redl" (aus Rötel)
"Letzn" (Verletzung). Küchenausdrücke und
Fleischbezeichnungen ähneln stark den wienerischen, wie
"Riad" oder "Tofeschbiz". Doch auch hier findet sich
manch Altertümliches wie z.B. "Kotzn-gschra"
(Katzengeschrei), ein in Niederösterreich typisches
Schlachttaggericht. Nützlich ist die Sammlung
mundartlicher Kurzformen zu Vornamen wie "Naz" (Ignaz)
oder "Antschi/Nettl/Nandl" für Anna.
Jedenfalls ist das Buch "geschdeckd voi" mit Material
aus allen Lebensbereichen, und man wird kaum "a Scheifal
nochlegn" können, um mit zwei der zahlreichen
Redewendungen zu schließen.
Zum Autor
Heinz Dieter Pohl ist Professor für
Sprachwissenschaft an der Unversität Klagenfurt.
Fritz und Margareta Renner:
Highuacht und aufgschriebm. Das niederösterreichische
Mundartlexikon. Eigenverlag Staasdorf, 448 Seiten, 22,90
Euro.(zu beziehen u.a. über
noe.mundart@aon.at)
Printausgabe vom Samstag, 07.
März 2009
Kommentar senden:
* Kommentare werden nicht
automatisch veröffentlicht. Die Redaktion behält sich
vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine
Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in
der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um
die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld
Postadresse. Diese Adresse wird online nicht
veröffentlicht.