20.02.2009 22:23 Uhr | 138x gelesen
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Wenn Bairisch zum "Käferzelt-Chinesisch" verkommt


Ingolstadt (DK) Die Unesco hat ihr vernichtendes Urteil gefällt: Bairisch ist eine aussterbende Sprache. Das geht zumindest aus dem Weltatlas der bedrohten Sprachen hervor, den die Weltbildungsorganisation zum Tag der Muttersprache an diesem Samstag vorgelegt hat. Diese Entwicklung ist umso überraschender, wenn man bedenkt, dass Bairisch in seinen verschiedenen Ausprägungen noch von rund 16 Millionen Menschen in Altbayern, Österreich, Südtirol und der Schweiz gesprochen wird. Die die Unesco kommt aber zu dem Schluss, "dass die Zahl dramatisch abnimmt".



Bild: Forschungen zur bairischen Sprache gibt es zahlreiche. Einige davon haben es sogar in die Buchhandlungen geschafft. - Foto: Fahn
Einer der diese Entwicklung seit Jahren beklagt, ist der Münchner Sprachforscher Bernhard Stör. Nach einer seiner Untersuchungen an Münchner Schulen sprechen von 413 befragten Gymnasiasten nur noch fünf, also 1,2 Prozent Bairisch, von 189 Hauptschülern waren es ebenfalls fünf, also 2,6 Prozent.

Der Papst als Preisträger

Die Entwicklung ist allerdings nicht auf Großstädte wie München und Ingolstadt beschränkt. "Sogar bei uns im Bayerischen Wald ist das Norddeutsche auf dem Vormarsch," stellt Sepp Obermeier fest. Auch rund um den Arber ist das Wörtchen "Tschüss" aus dem Mund der Einheimischen längst keine Seltenheit mehr. Der 52-jährige Obermeier ist der Vorsitzende des Landschaftsverbandes Donau-Wald im Förderverein Bairische Sprache und Dialekte und eine der weithin vernehmbaren Stimmen für den Erhalt des Bairischen.

Vor einigen Jahren hat er die Auszeichnung Sprachwurzel ins Leben gerufen, die sein Verband nun jährlich an Personen des öffentlichen Lebens vergibt, die bewusst bairisch reden. Erster Preisträger war Papst Benedikt XVI., "weil der bei seinen Audienzen immer wieder Bairisch spricht", sagt Obermeier. Geehrt wurden bislang zudem die Wellküren und Hans-Jürgen Buchner ("Haindling"). Keine Chance auf die Sprachwurzel haben in den Augen Obermeiers die meisten bayerischen Politiker: "Die weigern sich bairisch zu reden – weil sie das Gefühl haben, dann nimmt sie keiner ernst."

Wissenschaftlich gesehen liegt Obermeier damit gar nicht so falsch: Die beiden US-amerikanischen Mathematiker Steven Strogatz und Daniel Abrams haben 2003 ein Modell vorgestellt, nachdem allein in diesem Jahrhundert 90 Prozent aller Sprachen sterben werden. In 42 Ländern haben sie ihr Modell getestet und sind zu einem erstaunlichen Ergebnis gekommen: Immer wenn zwei Sprachen in Konkurrenz zueinander stehen, setzt sich diejenige durch, die das höhere soziale Ansehen genießt.

Bis heute hält sich in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens die Mär, dass Kinder, die Mundart sprechen von Haus aus schlechtere Bildungschancen hätten. Der frühere Literaturchef des Bayerischen Rundfunks und Sprachwissenschaftler Reinhard Wittmann drückt es drastisch aus: Obwohl Bairisch der beliebteste deutsche Dialekt sei, gilt es als "soziales Stigma".

Dabei haben viele Studien inzwischen bewiesen, dass Kinder, die mit Dialekt aufwachsen, später in der Schule keineswegs mit mehr Schwierigkeiten beim Erlernen der Hochsprache und schon gar nicht beim Erlernen weiterer Fremdsprachen haben.

Nach Ansicht Obermeiers sind das Ablehnung und Ausgrenzung des Dialekts die letzten Auswüchse der Bildungsreformen der Nachkriegszeit. Damals sollte das Bairische zugunsten des Hochdeutschen aus den Klassenzimmern verdrängt werden. In den 70er Jahren war es an bayerischen Schulen von der ersten Klasse bis zum Abitur üblich, den Kindern das Bairische schlicht zu verbieten und ihnen eine hochdeutsche Aussprache aufzuzwingen. Gegen die Bayerische Verfassung, wie Reinhard Wittmann beklagt: Nach Artikel 131 sollten die Schüler "in der Liebe zur bayerischen Heimat" erzogen werden. Und Sprache ist in den Augen Wittmanns "der unverzichtbarste Bestandteil der Heimat".

Doch nicht nur die Schule hätte versagt, klagt Wittmann. Er lässt auch kein gutes Haar an den Medien. Beim Bayerischen Rundfunk habe sich "die "Nordlautung" in weiten Bereichen durchgesetzt, weil es für viele ein "unverzichtbares Attribut für intellektuelle Überlegenheit gewertet" würde. In oberbayerischen Zeitungen sei er schon auf "Jungs in Älplerkluft" gestoßen. Auch die Regionalmedien sind nicht gefeit. Als in Schrobenhausen die Taste für das kostenlose 20-Minuten-Parkticket eingeführt wurde, schrieb der Kollege dort von der Brötchentaste – erst auf massive Intervention änderte er den Begriff auf Semmeltaste.

"Schwachbairisch" im TV

Baierisch wird allenfalls noch als folkloristisches Beiwerk "verhunaggld" wie Wittmann bemängelt. Klagte er noch vor wenigen Jahren, die heutigen Schauspieler verfügten nurmehr über ein "münchnerisch überformtes Schwachbairisch oder auch in Wanne-Eickel verständliches Komödienstadelbairisch", wird sein Kollege Bernhard Stör inzwischen noch deutlicher: Sein "Käferzelt-Chinesisch" für das Bairisch, das bei der Daily-Soap "Dahoam is Dahoam" gesprochen wird, ist längst zum geflügelten Wort geworden.

Natürlich gibt es auch solche, die alle Warnungen vor einem Niedergang des Bairischen als Schwarzmalerei abtun. Einer von ihnen ist Anthony Rowley. Der britische Sprachwissenschaftler ist Chef der Truppe, die sich im Auftrag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften um das Bayerische Wörterbuch kümmert, das bis 2060 alle in Bayern gesprochenen Bairisch-Varianten erfassen soll. Er sieht Bairisch lediglich in einer Wandlung. Bislang diente der Engländer der Staatsregierung gern als Kronzeuge, wenn es darum ging, zu beschwichtigen. "Das dürfte sich nach dem Spruch der Unesco erledigt haben", sagt Obermeier, der Rowley wegen seiner "Beschwichtigungsreden" als "Totengräber das Bairischen" bezeichnet.

Von Christian Fahn


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