17.01.2009   05:00 Uhr Drucken
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¸¸Bist jetzt Du gestorben oder Dein Bruder?"

Der Philosoph des Bayerwalds

Josef Fendl, der große Sprüchesammler, wird heute 80

 

Von Hans Kratzer

 

Neutraubling - Als Bayern noch ein katholisches Bauernland war, lautete ein gängiger Spruch: "Wer einen anderen Menschen zum Lachen bringt, erlöst eine arme Seele aus dem Fegefeuer." Diese Überzeugung deckt sich harmonisch mit Georg Lohmeiers Verweis auf jene Benediktinerklöster, in deren Rekreationsrefektorien (sprich: Bierstüberl) der Abt einen eigenen Witzstuhl besaß, von dem aus er Witze erzählte oder sich welche anhörte. Auf einem solchen Stuhl hätte auch der Humanist Josef Fendl bequem Platz gefunden, denn er hat im Laufe seines Lebens mehr Menschen zum Lachen gebracht als die meisten anderen. Den ehemaligen Realschullehrer und Autor, der heute seinen 80. Geburtstag feiert, jedoch als flachen Humoristen und Sprücheklopfer abzutun, wäre weit danebengegriffen. Fendl ist ein Universalgelehrter vom alten Schlag, der inzwischen mehr als sechzig Bücher herausgegeben hat und als temperamentvoller Rezitator seiner Werke bekannt ist, aber auch als veritabler Historiker und Kreisheimatpfleger. Die Frage, wie er das zeitlich geschafft habe, beantwortet Fendl auf entwaffnende Art. Einer, der 30 Jahre lang jeden Abend von 19 bis 22 Uhr in die Glotze starre, habe zwar Tausende Morde und Hunderte Bettszenen gesehen, aber diese 32 850 Stunden doch weitgehend verplempert. "Genau in dieser Zeit habe ich meine Bücher geschrieben."

Quelle der Volksweisheit

Die meisten seiner Werke werden noch lange aufgeschlagen und zitiert werden, denn sie sind eine unerschöpfliche Fundgrube für die Ausformungen der bayerischen Mentalität. Unter anderem hat Fendl eine riesige Sammlung an Aphorismen und Spruchweisheiten zusammengetragen, etwa von der folgenden Art: "Schad, dass d"net dagwesn bist, wia mei Stadl abbrennt is," hat dersell Bauer zum Feuerschlucker im Zirkus gsagt, "da hättst di vollfressn könna . . .!"

Als kleiner Einöd-Bub aus dem vorderen Bayerischen Wald saß Fendl direkt an der Quelle. Auf den Bauernhöfen wurden viele Sprüche erzählt, variiert und erfunden. Heute geben sie tiefe Einblicke in die Denkweise des einfachen Volkes. "Vieles hab ich von meinem Vater gehört", sagt Fendl. Und zwar zu einer Zeit, als es das Elektrische noch nicht gab, als der Vater noch Körbe gezäunt, Besen gebunden und Holzschuhe gemacht hat. Es war eine kleine Welt, die von Menschen wie seiner Tante geprägt wurde, die im Leben nie weiter gekommen ist als ins 24 Kilometer entfernte Straubing. Auch Fendl erkannte erst im fortgeschrittenen Bubenalter, dass die Welt hinter Straubing noch weiterging. Im Bayerischen Wald habe es damals dreierlei Menschen gegeben, sagt Fendl: "Arme, Bettelleut und solche die gar nichts hatten."

Später wurden ihm auch aus anderen Kanälen Volkssprüche zugetragen, im Kreistag von Regensburg etwa, dem er 30 Jahre lang angehörte, und im Benediktinerkloster Metten. Viel gelernt hat er auch von seinem Lehrer Hans Schlappinger aus Reisbach, der ebenfalls ein großer Sprachsezierer und Sammler war. Eine Leidenschaft, die im Übrigen schon im alten Athen en vogue gewesen sei, sagt Fendl, schon dortmals seien Sprüche gesammelt worden, ebenso im Italien der Renaissance, wo diese Sagwörter, Kürzest-Geschichten und Mini-Schwänke einen hohen Stellenwert besaßen. Verwunderlich ist dies nicht, denn ihr Hintersinn ist oft verblüffend: "Bist jetzt des Du gwesn oder Dei Bruader, der wo gstorben is?" Solche Sätze machen neugierig, ja sogar süchtig: "Ihre Sprüch" lese ich noch vor den Todesanzeigen", sagte einmal ein Leser zu Fendl, ein dickeres Lob ist auf dem Land kaum denkbar.

Zeit minus Geist

Fendl hat viele Auszeichnungen erhalten, unter anderem den Poetentaler der Münchner Turmschreiber, das Bundesverdienstkreuz und den Waldschmidt-Preis. Angespornt durch seine humanistische Vorbildung, ergründete er die Waidler-Seele wie kein anderer und setzte sie sogar in den Kontext zu den alten griechischen Philosophen. So manche Degeneration in Lebensart und Brauchtum, kurz die Eventisierung der Heimat, beobachtete er mit Argwohn und zog daraus den Schluss: "Zeitgeist ist Zeit minus Geist!".

Erst vor wenigen Wochen fand er heraus, dass der Christbaum in Bayern viel früher bekannt war als bisher angenommen. Im bischöflichen Zentralarchiv in Regensburg war er unter einem Stoß von Kirchenakten auf ein Papier aus dem Jahr 1590 gestoßen, in dem ein Christbaum erwähnt wird. Mit solchen Überraschungen wartet Fendl immer wieder auf. In einem seiner letzten Bücher beschäftigt er sich mit dem Tod und der rätselhaften Tatsache, dass ihm die Bayern nicht selten mit Humor begegnen. Zum Beleg führt er allerlei kuriose Grabsprüche wie den folgenden an: "Hier ruht die Barbara Lentner, / sie wog dritthalb Zentner; / Gott geb ihr in der Ewigkeit / nach ihrem Gewicht die Seligkeit!"

In seinem vorerst letzten Werk ("Gell, da schaugst . . ,!") erörtert Fendl folgerichtig den Zwiespalt der weiß-blauen Seele, indem er das Widersprüchliche im Charakter der Bayern herausarbeitet, jene coincidentia oppositorum (Vereinigung der Gegensätze), die sich wie ein roter Faden durch die bayerische Geschichte zieht. Fendl pflegt dabei ein Faible für die Mundart, der er wesentliche Vorzüge gegenüber der hochdeutschen Sprache zuweist: Kürze, Prägnanz sowie eine ungeheure Farbigkeit. In der Kürze liegt daher auch oft die Würze der Fendl"schen Prosa: "Bayerisch", hat der Bauer g"sagt, "is a schwaare Sprach. Sagn tuat mer Ha?" und schreibn tuat mer: Wie bitte?""