MÜNCHEN - In München kann man jetzt schon einen Blick in die Zukunft werfen: Nur noch jeder 100. Jugendliche unter 20 spricht bairisch. So könnte sich das in ein bis zwei Generationen in ganz Bayern anhören, warnt der Förderverein Bairische Sprache und Dialekte. München wirkt als Ballungszentrum seit jeher eine Sogwirkung auf die Region aus. Längst hört man auch in Rosenheim und Garmisch „Tschüss“ und „ne“. Letztes Jahr hat sogar die UNESCO Bairisch als ein Kulturgut anerkannt, das vom Aussterben bedroht ist.
„,Ich liebe dich’ oder ,I mog di, Mausl’, wos is jetzt scheena“ fragt Horst Münzinger vom Förderverein und empfiehlt: „Dichten’s doch mal ein Liebesgedicht auf bairisch. Des is so wos scheens.“ Das finden auch andere: Bairisch ist der beliebteste Dialekt in Deutschland, besagt eine Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach von 2008. Und er ist sogar erotisch, finden einige.
Die Bayern selbst profitieren von ihrer Mundart, sie ist ein lukrativer Imageträger. Mit Brau-Kultur und Oktoberfest identifizieren sich die meisten Bayern. Was aber den Dialekt betrifft, bemerkt Martin Bauer, der Vorsitzende vom Förderverein Bairische Sprache, einen harten Bruch: „A Lederhosn oder a Dirndl ham die junga Leid schon, aber oft ist des nur Maschkera, denn wenn’s an Schnobi aufmachn, dann heast den greisligen norddeitschn Slang“. Den Dialekt zieht mal halt nicht so einfach an wie eine Krachlederne. Wer nicht schon als Kind bairisch hört und spricht, tut sich später extrem schwer damit.
Und auch die sonst so schneidigen Bayern scheinen zwischen Ragionalstolz und globalem Anpassungsdruck ihr Selbstbewusstsein noch nicht gefunden zu haben. Die Gründe dafür, dass sich norddeutsche Begriffe in der Sprache bayrischer Städter längst festgesetzt haben, sieht Martin Bauer in den 50er und 60er Jahren: „Da wurde Dialekt mit Unterschicht und Bildungsferne gleichgesetzt. Wissenschaftlich ist das längst widerlegt, aber es sitzt tief in den Köpfen der Menschen.“
Heute weiß man, dass sich Kinder, die sowohl ihren Heimatdialekt und Hochdeutsch sprechen, bei Fremdsprachen leichter tun, weil sie das Umschalten gewohnt sind.
Die unzähligen Regionaldialekte in ihrer Vielfalt erhalten zu wollen, dieses Ziel hält sogar Martin Bauer für unrealistisch. Viel zu lange wurde schon durch die hohe Mobilität der Menschen kräftig umgerührt im bairischen Dialekt-Topf. „Aber“, empfiehlt Bauer, „Man kann sich immer mal wieder an bestimmte Begriffe von den Großeltern erinnern.“ Manchmal stößt man dabei auch auf erstaunliche Zusammenhänge: „Der Foam aufm Bier heißt auch im Englischen so.“ Auf Facebook gibt es jetzt eine Gruppe, die heißt „Über 70 Millionen in Deutschland können kein Bairisch“. So kann man die Sache auch sehen.
Johanna Jauernig