Von Volker Linder
Zum Schießen: Gerhard Meier, Anthony Rowley, Michael Schmatloch und Monaco Fränzn (von links) über die Bayerischen Sprache. Foto: Volker Linder
Neuburg Ist das Bayerische wirklich vom Aussterben bedroht oder bahnt sich gerade eine Renaissance ausgerechnet aus den Reihen der Jugendkultur an? Ist der beliebteste Dialekt des Landes kurz vor seinen letzten Atemzügen, oder wird er immer Bestandteil der Identität im Freistaat bleiben? Diese Fragen erörterten im Rahmen des Kulturfestivals Fliesstext10 auf schon fast komödiantische Weise drei Spezialisten, die es eigentlich wissen müssen: Gerhard Meier, Anthony Rowley und Monaco Fränzn.
Gott sei dank ist keiner von ihnen ein militanter Bewahrer der Bayerischen Sprache, auch wenn Wehmut an vergangene Zeiten immer wieder aufflackerte. Dass das Bayerische am Montagabend als Bestandteil einer lebendigen Gegenwart verstanden wurde, lässt sich schon an den Teilnehmern der Podiumsdiskussion unter dem Motto „Bayerischer Dreier“ im Neuburger Stadttheater ablesen.
Gerhard Meier ist der deutsche Übersetzer des türkischen Literaturnobelpreisträgers Orhan Pamuk. Er stammt aus Landshut und pflegt das Bayerische seit Jahrzehnten mit wachsender Hingabe. Dass er mit seiner Familie und französischen Frau in Lyon lebt, ist für ihn keineswegs ein Gegenargument. Allen, die eigentlich ihren Dialekt sprechen wollen, aber ihren Impuls aus Rücksichtnahme oder Angst vor dem Gesprächspartner unterdrücken, rät Meier: „Man muss sich trauen - das ist ein befreiendes Gefühl.“
Der Übersetzer ist zwar nicht dafür, die Sprache etwa durch Zwangsunterricht an Kindergärten und Schulen künstlich zu erhalten. Dennoch blickt Meier etwas wehmütig auf seine Jugend zurück, als der Dialekt eben noch viel mehr an der Tagesordnung gewesen sei. Jedes Mal, wenn er heute nach Bayern komme, werde das Bayerische weniger gesprochen. Sein Fazit: „Es geht dahi’ mit dem Boarischen.“
Da widerspricht ihm der Linguist Professor Anthony Rowley, seit Studententagen in Bayern lebender Brite. Rowley gilt als ausgezeichneter Kenner des Bayerischen und er widerspricht dem Vorurteil, dass dümmlich sei, wer das Bayerische pflege: „Das Bayerische ist kein Merkmal mangelnder Bildung oder mangelnden Geldes.“
Der Mundartforscher, der gerade an einem umfassenden und auf zehn Bände angelegtes Bayerischen Wörterbuch arbeitet (das erst 2060 erscheinen soll), weiß aber auch um den schlechten Stand des Dialektes in der Landeshauptstadt. In München höre man bei der jüngeren Generation kaum noch die typisch südliche Sprachfärbung. Auch Rowley ist kein Purist und hat nichts gegen Lehnwörter aus dem Englischen. Für München prophezeit er allerdings schon jetzt: „Fluchen und Schimpfen ist das letzte, was dort vom Bayerischen bleibt.“
Grund zur Hoffnung für all jene, die das Bayerische erhalten wollen, gab nicht zuletzt Monaco Fränzn. Der Moderator Michael Schmatloch wies darauf hin, dass der Hip-Hop-Künstler (Formation Doppel-D) nicht nur auf Niederbayerisch rappe, sondern auch Philosophie studiert habe. Er ist der lebende Beweis, dass das Bayerische sich auch neue Kanäle sucht: Nicht nur seine Musik ist außerordentlich erfolgreich. Auch der Bayerische Rundfunk hat den Heimatdialekt in seinem Jugend-Radio On3 wieder entdeckt. Dort hat Monaco Fränzn eine Kolumne in tiefstem Bayerisch. Er sagt: „Es ist ein neues Bewusstsein da, dass es wieder cool ist, so zu reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist.“