Das „Lateinisch-deutsche Schulwörterbuch“ verdanken wir dem Altphilologen Joseph Maria Stowasser, dessen Todestag sich am 24. März zum 100. Male jährt.
Er kommt in Troppau (Österreichisch-Schlesien/ heute Tschechien) als Sohn eines Apotheken-Provisors zur Welt. Ursprünglich war dies „der erste Gesell, der nächst dem Apotheker die Aufsicht über die Apotheke führet“, später der Leiter oder Verwalter einer fremden Apotheke.
Der Herr Papa hat also gewiss Latein gekonnt, der Sohn lernt es am Troppauer Gymnasium, übersiedelt dann nach Wien und absolviert das Studium der klassischen Philologie in kürzest möglicher Zeit. Den Unterhalt hat er als Hauslehrer verdienen müssen.
Er unterrichtet zunächst in Wien und dann drei Jahre am noch jungen Gymnasium in Freistadt. Mit seiner unkonventionellen Art weiß er zu motivieren und mitzureißen. Einer seiner Schüler, der spätere Literaturhistoriker Eduard Castle, flicht ihm ebenso Kränze wie die Schule: „Mit Prof. Stowasser, der im August 1882 an das hiesige Gymnasium ernannt worden war, schied von uns ein Lehrer von hervorragender fachlicher Tüchtigkeit und umfassendem Wissen.“
Stowasser, dessen Frau Vorfahren im Innviertel hatte, wird noch oft Sommer im Mühlviertel verbringen. Er ist ein glühender Verehrer Franz Stelzhamers und verfasst auch selbst Mundartlyrik.
Schon während seiner Zeit in Freistadt legt er die Grundlage für sein „Schulwörterbuch, das 1894 zwei Verlage edieren. Im Vorwort zur 1. Auflage ist zu lesen: „Lest im Mühlviertel, den 18. August 1893.“
Neues Kleid seit 1994
Das unentbehrliche Lexikon erlebt viele Auflagen, 1913 wird dem „Großen“ ein „Kleiner Stowasser“ zur Seite gestellt, der hinfort an den Schulen einzieht. 1994 wird eine attraktive Neuauflage unter der Leitung von Univ. Prof. Fritz Losek gestaltet und um „Lateinische Begriffe und Redewendungen“, Datum, Zeitrechnung oder lateinische Abkürzungen erweitert.
Den attraktiven Einband in farblich unterschiedlichen Variationen gestaltet der Künstler Friedensreich Hundertwasser, der als Nachfahre des Wörterbuch-Schöpfers zunächst Friedrich Stowasser hieß. Die erste Namenssilbe „sto“ bedeutet in vielen slawischen Sprachen „100“.
Im heutigen Unterricht ist die Verwendung des „Stowasser“-Wörterbuches in der Literatur-Phase verpflichtend: ab dem 3. Lernjahr (5. Klasse) in der Langform, ab dem 2. Semester (6. Klasse) in der Kurzform der Latein-Ausbildung.
Dem Lehrplan angepasst
Prof. Peter Glatz, Leiter der ARGE Latein: „Es gibt mittlerweile schon andere Wörterbücher, zum Beispiel von Langenscheidt und Pons, aber in Österreich wird der ,Stowasser’ schon aus sentimentalen Gründen am meisten verwendet. Derzeit ist eine weitere Neuauflage in Arbeit, die dem aktuellen Lehrplan entspricht und schlanker wird.“
J. M. Stowasser erlangt neben dem Wörterbuch-Klassiker auch mit seinen lebendigen Übertragungen antiker Gedichte („Griechenlyrik“, „Römerlyrik“) Berühmtheit. Und setzt den vierzeiligen Gstanzln, die er in Oberösterreich kennenlernt, in seinen „Griechischen Schnadahüpfeln, Proben zwiesprachiger Umdichtung“ ein von Humor und Einfühlsamkeit in die Volkssprache geprägtes Denkmal. Dabei baut er vom klassischen Distichon eine Brücke zum Mundart-Gstanzl (siehe Zitate links unten).
Seinen Erfolg kann der Philologe nicht lange auskosten: Wegen einer chronischen Krankheit muss er 1909 vorzeitig in Pension gehen. Er ist zwar geistig noch rege tätig, aber als Gelähmter an den Rollstuhl gefesselt, ehe ihn der Tod von seinem Leiden erlöst.
Höchstnote für Ammann