Sprachlabor (42) Falsche Übersetzung

21.06.2010, 16:08

Von Hermann Unterstöger

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger blickt ins Bairisch-Lexikon und lässt sich nicht die Schneid abkaufen.

"ALMA MATER" heißt die Platte, die Papst Benedikt jetzt herausbringt. Bei uns wurde das mit große Mutter übersetzt, es bedeutet aber, wie Leser H. richtig feststellt, nährende oder gütige Mutter und ist ein Beiname der Gottesmutter Maria. Mit Alma-Ata, heute Almaty, hat das nichts zu tun. Der Name dieser Stadt wurde einst - nicht bei uns - mit Vater oder Opa der Äpfel wiedergegeben, und auch das soll falsch sein.

SPRACHLABOR IN DER SCHULE Bild vergrößern

Die undatierte Aufnahme zeigt den Fremdsprachenunterricht im Sprachlabor einer Schule in Frankfurt am Main. (© ag.dpa)

WO SÜDDEUTSCHE draufsteht, ist oft auch Süddeutsches drin. Genauer gesagt sind es Sprachformen, wie sie für den bairisch-österreichischen Sprachraum charakteristisch sind. Das hat nichts mit Bayerntümelei zu tun, sondern mit der Überzeugung, dass auch eine Zeitung kleine Winke auf den Landstrich, der ihre Heimat ist, geben darf. Ob der Kollege, der kürzlich das Wort händisch verwendete, das ebenso sieht, ist nicht bekannt. Jedenfalls hat er unseren Leser M. aufgestört, der launig anfragte, ob damit etwa linkisch gemeint gewesen sei. War es nicht. Händisch ist ein in Bayern gängiges Wort für per Hand oder von Hand, und man täte gut daran, es als hentisch zu schreiben. Dahinter steckt nämlich, wie Ludwig Zehetner in seinem Bairisch-Lexikon anmerkt, der Mundartausdruck Hent, der die Hand in Einzahl und Mehrzahl meint. Für die singularische Verwendung bürgt eine Stelle aus dem schönen alten Lied über die Münchner Fronleichnamsprozession: "Und dann kommt der Prinzregent, / Prinzregent, Prinzregent, / hat a Kerzn in da Hent, / die längst nimma brennt."

DAZU PASST, was Leser H. aufgefallen ist, nur dass es sich um den gegenläufigen Fall handelt. In einem Bericht über den Fußballer Philipp Lahm und dessen prekäres Verhältnis zum FC Bayern München kam zweimal der Ausdruck "den Schneid abkaufen" vor, davon einmal als Zitat, und auch hier meldet das süddeutsche Hochdeutsch seine Rechte an. Natürlich werden wir den Regionalismus nicht so weit treiben, dass wir im Blatt der Butter oder das Monat schreiben, doch bei der Schneid sollten wir uns dieselbe weder abkaufen noch abhandeln lassen - umso weniger, als es bei der Schneid keinem Zweifel unterliegt, woher sie kommt: von der bei einer Axt oder einem Messer unstrittig weiblichen Schneide.