RegionRL2010 dialekt hochsprache
Dialekt: Kein schlechtes Deutsch, nur ein anderes[2]Provinziell oder gefühlsecht - Hat Mundart Zukunft? Was wird
aus Dialekten in einer Globalisierten Welt? "Die Mundart ist überlebensfähig, aber
sie wird sich ändern." Walter Knittel Neuhausen ob Eck Lange Zeit galt er als rückständig und provinziell, als Karrierehindernis und Falle. Wer in den 70er und 80er Jahren Dialekt sprach, wurde schnell in die Ecke des minderbemittelten Dorf-Heinis oder der Landpomeranze gestellt – der gutmütige Seppel vom Land eben, der sonst nicht viel drauf hat, weil er sich nicht einmal anständig ausdrücken kann. Seitdem hat sich vieles gebessert. Auch Pädagogen erkannten, dass Dialekt kein schlechtes Deutsch ist, sondern lediglich ein älteres und anderes Deutsch. Eines, das Artenschutz verdient. Doch sind die Vorbehalte geblieben: Die Sprache in Schulen und Büros und der meisten Entscheidungsträger ist ein verkürztes Englisch und Hochdeutsch – oder das, was wir dafür halten. Ist der Dialekt dann vom Aussterben bedroht? Ein Dinosaurier der Kommunikation, dessen letztes Stammeln und Röcheln wir gerade erleben? Nein, sagen die Befürworter des Dialekts energisch, er stirbt nie aus. „Die Mundart ist überlebensfähig, aber sie wird sich ändern. Sie ist immer im Fluss“, sagt Walter Knittel, der auch beruflich mit Heimat zu tun hat: Er leitet das Freiluftmuseum in Neuhausen ob Eck im Kreis Tuttlingen. Knittel wehrt sich dagegen, die Mundart als drittklassig abzustempeln. Manches könne man darin besser ausdrücken, Gefühle und innere Bewegungen zum Beispiel. „Die Begriffe sind im Dialekt leistungsfähiger“, sagt er. Wenn er mit Frau und Kindern im Gespräch ist, nutzt er die Mundart. Nur die Kinder schalten häufig um, „wenn sie mit ihren Freunden telefonieren; die verstehen Dialekt nicht unbedingt.“ Mobilität schluckt Mundart In kleineren Städten und Dörfern mit einer stabilen, alt eingesessenen Bevölkerung dagegen wird ohne Umschweife Dialekt gesprochen. Auf der Schwäbischen Alb pflegen alle im Kindergarten Mundart – von der Erzieherin bis zum Dreijährigen. Im katholischen Kinderhaus in Allensbach unterhalten sich „80 Prozent“ der Kinder hochsprachlich, berichtet Petra Steidle. Die Co-Leiterin des Kinderhauses beobachtet, dass die meisten anderen Kinder dann schnell aufspringen – sie übernehmen Redensart und Vokabular der anderen. So trocknet der Dialekt aus. Und die Eltern wundern sich dann, warum der Nachwuchs nicht mehr schwätzt, sondern spricht. Petra Steidle unterhält sich mit ihrem Mann auf Schwäbisch. Ihren Schützlingen dagegen bietet sie eine deutlich geliftete Mundart an. Hochdeutsch als Bildungsziel? „Wir geben keine Anweisung, wie mit den Kindern zu sprechen ist. Jede Erzieherin hat einen anderen Hintergrund.“ Der Kindergarten ist kein Sprachenlehrinstitut, auch wenn manche Eltern gerne mehr Druck ausgeübt sehen wollen. Sie fürchten um die Chancen ihrer Kinder. Geht vom Dorfjargon mehr Gefahr aus als vom Fernsehen, in dem man immerhin Hochdeutsch spricht? Kinder sollen es nicht nur besser haben – sie sollen eines Tages auch fehlerfrei daherreden. Kein Zweifel: Der Dialekt hat an Boden verloren. An Fastnacht: ja. Für die vulgären Zwischentöne und netten Versle ist er gerade recht. Trinksprüche und deftige Lieder, da ist er zuhause, als ob nur Trinker und Spaßmacher Dialekt sprechen und er Trauer nicht erzählen kann. Nach den „lustigen“ Tagen schalten viele Normalsprecher wieder auf Hochsprache um: jene Mischung aus TV-Beschallung, Englisch und Niedersächsisch. Brauchtum, Karneval, Familie: Das sind die Lebensbereiche, in denen es dialektal grummelt. „An Fastnacht verfällt mancher in die Mundart, der sonst ganzjährig im Hochdeutschen unterwegs ist“, sagt Johannes Kaiser schmunzelnd. Der 51-Jährige wohnt mit Familie in Villingen und machte diese Erfahrung auch dieses Jahr wieder. „Natürlich hört man das schnell, wenn man sich etwas auskennt.“ „Draußen reden sie anders“ Der Lehrer engagiert sich auch in seiner Freizeit für sein Idiom. Seit vielen Jahren schon ist er Mitglied einer Organisation, die von vielen auch belächelt wird: die Muettersproch-Gesellschaft. In 21 Gemeinden in Südbaden sind diese Vereine vertreten. Sie bringen Dialektsprecher zusammen, pflegen ihre Vokale und wühlen leidenschaftlich in alten Redewendungen. Sagt man in Donaueschingen noch „Hus“ oder schon „Haus“? Wo verlaufen die feinen Abstufungen zwischen Unter- und Oberbaldingen (bei Bad Dürrheim)? Hat der Hotzenwälder einen anderen Vokalismus als ein Rheinfeldener? Vielleicht sind das unnütze Betrachtungen. Vielleicht stimmt aber auch, was Goethe – anerkannter Meister der Sprache – sagt: „Jede Region liebt ihren Dialekt, er ist doch eigentlich das Element, in welchem diese Seele ihren Atem schöpft.“ Der Weimarer wusste, wovon er spricht: Als Frankfurter parlierte er ein derbes Hessisch und eckte mehrfach in seinem Leben damit an (wie der Schwabe Friedrich Schiller auch). Aufs Ganze gesehen ist die Mundart auf dem Rückmarsch. „Die Mobilität ebnet Unterschiede ein“, sagt Johannes Kaiser. Das begann spätestens nach 1945, als Tausende von Vertriebenen aus dem verlorenen deutschen Osten kamen und ihren Tonfall gleich mit importierten. Das heutige Berufsnomadentum tut ein übriges dazu. Der Dialekt wird zunehmend zur Insel. Früher sprachen die Außenseiter Hochdeutsch und wurden von den Einheimischen ob ihrer Ur-Sprache belächelt – heute ist es umgekehrt. Deshalb mögen es die Eingeborenen nicht, wenn man ihren Dialekt nachahmt. Sie fühlen sich dann verseckelt (hochdeutsch: auf den Arm genommen). Noch ein Pfeiler ist dem regionalen Sprechen weggebrochen: Die Landwirtschaft als stärkste Domäne des Dialekts. Im räumlichen Geviert zwischen Heuboden und Feld spielt das Hochfest des Dialekts, hier entfaltet er seine Kraft: Die präzise Benennung von ganz speziellen Tätigkeiten in größter Kürze und regionaler Abstufung ist seine Stärke. Ackergeräte sahen nirgends gleich aus, ein Stall wird auf der Baar anders gebaut als auf der Schwäbischen Alb, also benötigte man auch differenzierte Ausdrücke: Mundart eben. Stubenmusik aus dem Stall Überlebt dieser liebenswerte Saurier? „Sicher tut er das, er ist ein Teil unseres Wesens“, sagt die alemannische Schriftstellerin Rosemarie Banholzer. Johannes Kaiser ist skeptischer: „Das ist eine schwierige Frage. Ich glaub's langsam nimme.“ Auch Schwaben sind AlemannenManche werden es nicht gerne hören, die sich im Alemannischen als ihrer festen Burg eingerichtet haben. Vor der Burg tummeln sich Schwaben, die nicht dazugehören. Schade nur, dass dieses Bild nicht stimmt. Mehr! Fotogalerie starten (5 Bilder) Weitere Artikel zu: RL2010, dialekt, hochsprache, |
Da wird endlich mal gesagt, daß jeder deutsche Dialekt richtiges Deutsch ist. Diese arrogante Verunglimpfung der Mundart und die Behauptung: Dialekt=Dumm, "Hochdeutsch"=Überlegenheit, zeugt nur von Ignoranz.
Es ist doch herrlich, daß es in Deutschland so viele Dialekte gibt. Sollen alle nur noch ein dem Zeitgeist geschleimten Denglischbrei daherbrabbeln?
Leute, laßt euch euren gewachsenen Schnabel nicht wegnehmen!
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