Remaraweng Boarisch

Aussprache, Orthographie und Merkmale

r-Frikativierung

Veränderung des <r> zum Reibelaut (Frikativ)

Ein Reibelaut, auch „Engelaut“, „Konstriktiv“, „Spirans“, „Spirantisierung“ oder „Spirant“ genannt, ist ein nach seiner Artikulationsart benannter Konsonant.

 

Das heißt, bei seiner Artikulation wird eine Engstelle im Mund gebildet, die die ausströmende Luft  eine "Engstelle" zu passieren hat und durch diese Turbulenzen verwirbelt einen „Reibelaut“ oder „Reibegeräusch“ erzeugt.


Die Reibelaute (Frikative) [f, s, seh, eh, h] entstehen mit je spezifischer EngstelIenbildung.

Solche Frikative können stimmlos oder stimmhaft sein, wobei stimmhafte Frikative im Bairischen nur ausnahmsweise zu finden sind.

In der Hochsprache sind viele r-Frikativierungen im Lauf der Sprachentwicklung entstanden, z.B.

fechten (germanisch fehta, ahd. fëhtan faht fuhtun, mhd. vëhten vaht vâhten u. vuhten) - d.h. erst im Neuhochdeutschen mit Reibelaut >ch<.

Fuchs (ahd. fuhs, mhd. vuhs, vuohs)

machen (ahd. mahhōn, mhd. machen)

Nacht (ahd. und mhd. naht)

brechen (ahd. brehhan, mhd. brechen -  erst im Mhd. mit Reibelaut >ch<.

Im Bairischen ist die „r-Frikativierung“ in vielen Mundartbebieten (z.B. in Berchtesgaden, Zillertal in Tirol, Pinzgau, Pongau, Teilen vom Salzkammergut und im Lungau) sehr häufig zu begegnen.

Hier wird eine Veränderung des <r> zum Reibelaut (Frikativ) <ch< oder >sch<.

 

Beispiel

Etymologie (Althochdeutsch / Mittelhochdeutsch)

 Reibelaut
(Frikativ) <ch<

Reibelaut (Frikativ)  <sch>

 anders

ahd.  anderes;
 mhd.
anders

(nicht belegt)

åndascht [ɔndascht]

ånascht [ɔnascht]

 arschling

zu Arsch, mhd. u. ahd. ars = urspr. Erhebung

(mehr)

(nicht belegt)

aschling

 auswärts

ahd.   ūӡwert ‘draußen’ (9. Jh.), ūӡwertes (8. Jh.);
 mhd.
ūӡwert(es)

auswächts

(nicht belegt)

 Bart

 

(z.B. Hirschbåcht = Hirschbart,
Gamsbåcht = Gamsbart,
Radlbåcht = Dachsbart)

ahd. part;
 mhd.
bart

Båcht
[bɔɔchd / bɔachd]

Båscht
[bɔaschd]

 dort

ahd. darot dorot doret deret;
mhd. dort dart dert

dochd

doschd, duschd,
(aber auch
,durschd)

dürr

ahd. thurri;
mhd. dürre

di(e)ch

 

Erde

Erde:
(aus lat.
terra), goth. airþa;
ahd. ërda;
mhd.
ërde

Eachd

Easchd, Erschd

Erdbohne

(Erdäpfel bzw. Kartoffel) - mehr

Erde:
(aus lat.
terra), goth. airþa;
ahd. ërda;
mhd.
ërde

Bohne:
ahd.
pônâ;
mhd.
bône

Eachbohn

Easchbohn

 ferten

voriges Jahr
(mehr)
ahd.
firni;
mhd. virne,
vern(e), vern(e)t

feachd, fächtn

fęascht, veascht

fäschtn, våfäschtn

 fertig

ahd. fartîc, fertîc;
mhd. vertec

fechdeg

(z.B. ‚Firchtweih‘ = Richtfest zur Fertigstellung eines Dachstuhls)

feschdeg

(z.B. ‚Fischtweih‘)

 Fürtuch, Vortuch

- mehr

Vor:

ahd.  fora;
mhd.
vor

 got. faúra; germ. fur(a)

 

Tuch:

ahd. tuoh (n. + m.);
mhd.
tuoch (n.)

Fichta, Fichda

[fiichda]

Fischta, Fischda

[fiischda]

 fort

ahd. ford;
mhd.
vort

(nicht belegt)

fuscht, furscht

 Garten

(auch z.B. hoangachten, hoangaschtn = heimgarten (plaudern, tratschen, schatzn)

ahd. garto;
mhd. garte

Gåchtn [gɔchtn]

Gåschtn [gɔschtn]

 Gürtel

ahd. gurten ;
mhd. gürten, gurten

(nicht belegt)

Güschtl (f.)

 hart

ahd. hart;
mhd.  
hert(e)

hecht

(nicht belegt)

 Herd

ahd. mhd. herd, hert

hecht [hächt]

Herscht

 Herz

goth. haírtô
ahd.
herza;
mhd. herze

hechz

hechtsn

 hart

goth. hardus
ahd.
hart, herti;
mhd. hart, herte

hescht

(„kleckhescht“ =
„sehr hart“, „steinhart)

herscht

 gehört

hören
lat.
audire;
goth.
hausjan;
ahd.
hôrran (für hôrjan), hôran;
mhd.
hœren

ghescht

gherscht

 Karte

spätmhd. karte

lat. charta,
griech. chártēs (χάρτης)

kåchtn [kɔchtn]

(nicht belegt)

 kehrt

(kehren mit z.B. einem Besen)

(mehr)

ahd. kerien, kerren;
mhd.
 kern

kehcht

(nicht belegt)

 Kerze

ahd. cherzâ, charza, charz (chärz);
mhd.
kerze

kiachds

kechtsn

 kurz

ahd. kurz;
mhd.
kurz;

latein. curtus

kuchz

(nicht belegt)

(aus)leihen

((ver)leihen, geben, ausborgen - auf Borg nehmen’, oder ‘auf Borg geben’)

ahd. līhan;
mhd.
līhen

leicha

(ausleicha)

(nicht belegt)

Marter

ahd. martira, mart(a)ra;
mhd.
marter, martere

griech. martýrion (μαρτύριον)

(nicht belegt)

maschta

(Vgl. Maschta-Singen)

 nahe, in der Nähe

ahd. nāh;
mhd.
nāch, nā

nachnt

(nicht belegt)

Ort

(z.B. Ortsbauer)

ahd. ort;
mhd. ort

Ǻchd  [ɔcht]

Ochdbauer  [ɔchtbaua]

Ǻschd  [ɔscht]

Oschdbauer  [ɔschtbaua]

oba

(herab – mehr)

ocha

(nicht belegt)

 passiert

(Verb passieren)

afrz. frz. passer;
vlatein.
passāre;

påssiacht [pɔɔsiachd]

(nicht belegt)

gereart [greart] 

(Vergangenheitsform von rearn = geweint)

rehren
(brüllen, blöken, schreien);
ahd.
rêrên;
mhd.
rêren

(nicht belegt)

grerscht

 schwarz

ahd. suarz, suuarz;
mhd.
swarz

schwɔchz

(nicht belegt)

 Schwartling, Schwärtling (m.)

(Schwartenbrett, erstes und letztes von einem Baumstamme gesägtes, noch die Rinde tragendes Brett)

(kommt bald)

Schwachtleng

(nicht belegt)

 spähen

ahd. spehōn, spiohōn;
mhd.
spehen

spähchn

(nicht belegt)

 sperren [schbiaha]

ahd. sperran;
mhd.
sperren

schbiacha / schbiachdn

(nicht belegt)

 starren

goth. andstaúrran;

ahd. storrēn;
mhd.
starren

stacht, stachn

(nicht belegt)

 Tor

goth. daúr;

ahd. tor, turî, tura;
mhd.
tor

Toch
(Tochstoa = Tortein)

(nicht belegt)

 gewährt

(Verb gewähren)

Etymologie aus lat. durare
ahd. werên;  mhd. gewern:

Verbalableitung zu wahr
ahd.
gawârian, gawârên;
mhd. gewæren

ahd. sperran;
mhd.
sperren

(nicht belegt)

gwerscht

versperren [vaschbiaha]

ahd. sperran;
mhd.
sperren

vaspecht

(nicht belegt)

warten
 gewartet

ahd. wartēn;
mhd. warten

wåchtn [wɔchtn]
gwåcht [gwɔcht]

(z.B. „weil de wåcht sicha schoa“ = „weil die wartet sicher schon“)

(nicht belegt)

wehren

ahd. wer(i)en, werren;
mhd. weren, wern, werigen

wechtn

(z.B. ‚es wecht si‘ = etwas feigelt)

(nicht belegt)

werden

ahd. werdan;
mhd. werden

wechtn

(z.B. „di wechts ållweil geben“ = „die wird’s immer geben“;
„dass mehra wiacht“ = „dass es mehr wird“)

(nicht belegt)

würde

(Konj. von Verb sein)

ahd. sīn;
mhd.
sīn

wucht

(nicht belegt)

 Wurzel

ahd. wurzala;
mhd.
wurzel

wuchzl

(nicht belegt)

 zieht

(Konj. von Verb ziehen)

ahd. ziohan;
mhd.
ziehen

ziahcht

(nicht belegt)

 zuerst

ahd. ēristo;
mhd.
ērste

(nicht belegt)

zescht

 

 

 

Quellen:

1.    Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm

2.    Drent und herent. Dialekte im salzburgisch-bayerischen Grenzgebiet, Hannes Scheutz et al

3.    Lungauer Dialektwörterbuch alphabetisch (Querschläger)

4.    Das Projekt Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS)

5.    Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Tirol und Vorarlberg Wien 1893

 

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Seite zuletzt aktualisiert am 7. November 2016

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