Gedanken vom Vorsitzenden zum Stand der Sprache (12.
September 2003)
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FÖRDERVEREIN BAIRISCHE SPRACHE U. DIALEKTE e.V.
Vorsitzender: Hans
Triebel (1995 - 2004)
Gotzing,
83629 Weyarn
Telefon 08020/904732, Fax 08020/904783, Mobil
0179/1042050
eMail:
wirt@gotzinger-trommel.de Internet :
www.gotzinger-trommel.de/
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Der Förderverein Bairische
Sprache und Dialekte ist im Juni 89 (leider 50 Jahre zu spät, aber besser als
überhaupt nicht) auf dem Hochberg in Traunstein gegründet worden und hat momentan
ca. 2.400 Mitglieder in Bayern, Österreich, Südtirol, aber auch Exilbaiern in aller Welt. Eigentlich sollte jeder, der
Bairisch redet oder sich dafür interessiert, sollte wissen, daß es uns gibt.
Allein die Tatsache, daß ein Förderverein existiert, in dem hochrangige
Sprachwissenschaftler, bekannte und beliebte Schauspieler, Journalisten,
Schriftsteller und noch viele andere Persönlichkeiten Mitglieder sind, gibt
vielen wieder die Schneid, in der Landessprache zu reden.
Wir betrachten uns als
eine Schutzgemeinschaft für die verschiedenen Dialekte, aber auch für die im
Süden gesprochene Hochsprache. Unser Hochdeutsch unterscheidet sich in
Aussprache und Betonung wesentlich von dem im Norden des deutschen Sprachraums
üblichen Deutsch, das fälschlich als „Standarddeutsch“ bezeichnet wird. Beide
Sprachebenen, unsere Dialekte und unser Hochdeutsch, sind heute sehr stark
bedroht. So hat der starke Zuzug nach München und Umgebung zur Situation
geführt, daß eine Mehrheit der Kinder und meist auch die Erzieher kein Bairisch
sprechen. Die Folge davon ist, die bairischsprechenden Kinder imitieren die
Sprechweise der dominierenden Gruppe und insbesondere das Umgangsdeutsch der
Erzieherin. Das Gefährliche daran aber ist, daß die große Mehrheit auch bei uns
glaubt, dieser Slang sei Hochdeutsch.
Nehmen wir uns einmal die
Zeit hineinzuhören, was Kindern in Form von Hörspielen, Märchen,
Quiz-Programmen und ähnlichem vorgesetzt wird, was sie sich beim gebannten Anhören
von Kassetten „reinziehen“. Es ist
meist ein „kindgemäßes“ Primitiv-Deutsch. Es ist stets der gleiche Sprachbrei,
ob es sich um Cartoons, einschließlich Tierfilme oder um synchronisierte
Abenteuer- und Wildwestfilme handelt. Dem Konsumenten prägt sich ein, daß in
Nevada das gleiche nördliche Deutsch verwendet und gegrölt wird, wie in
Palermo, Hongkong, Australien und vielleicht in der Gegend von Berlin oder auch
bei uns (siehe: Bergdoktor, Forsthaus Falkenau, oder
ähnliche seichte Heimatschnulzen). „Tschüss“ ist der internationale Abschiedsgruß.
Das Eindringen der norddeutschen Sprache ins
Südhochdeutsch
Wer als Zuwanderer aus dem
Norden bei einer bayerischen Radio- oder Fernsehstation angestellt wurde, und
das sind mindestens zwei Drittel, kann seine Redeweise immerhin damit
rechtfertigen, daß man seine eigene Sprache doch wohl nicht verleugnen müsse
und könne. Eine andere Situation entsteht, wenn ein bayerischer Ansager oder
Reporter nördlich zu sprechen beginnt. Der Prozeß ist immer derselbe. Erst kupiert
man den unbestimmten Artikel: „noch n
Bier“, „ne gute Frage“, „nen besseren Vorschlag“,
„ne feine Sache“. Sobald man im
Nachäffen des Fremden und Unterdrücken des Eigenen genügend sicher ist (ja
nicht mehr: noch a Bier, a gute Frage, a feine Sache), wird „nicht“ zu „nich“ verkürzt: „Ich weiß nich“,
„ich glaubs nich“, „es geht nich“. Da „ne“
und „nich“
fast von keiner Aussage wegzudenken sind, vermittelt der emsige Nachäffer
alsbald den Eindruck eines perfekt Hochdeutsch sprechenden Medienmenschen, während
in Wirklichkeit norddeutsche Kollegen eher mitleidig diesen Versuch einer
Aufgabe der eigenen Identität registrieren werden. Mangelnder Stolz - auch dies
gehört zum Bayernbild.
Bei der Aufzählung solcher
krassen Mißstände muß man allerdings etwas erklären. Wir werfen den Zugezogenen
nicht ihre Sprache und Redeweise vor. Was uns geniert, was uns fuchtig werden
läßt, ist die Selbstverständlichkeit, mit der diese Art von Deutsch in unseren
Medien in einem fort aufgetischt wird, als wäre es unsere Sprache.
Noch schlimmer: Die eigene
Bescheidenheit, um nicht zu sagen Dummheit, nebst der Demut vor dem
willkommenen Urlaubsgast bzw. Bauplatzinteressenten sieht in der flotten
Sprechweise das erstrebenswerte „Hochdeutsch“, das zu produzieren man sich
selber nicht für fähig hält. Ein in Altbayern unausrottbarer Komplex.
Beim gedruckten Wort gibt
es auch sehr wohl Unterschiede zwischen süddeutscher und norddeutscher
Ausdrucksweise, aber dies zeigt sich beim Lesen weniger auffällig. Wieder sind
es einige Signalwörter und Ausdrücke, mit denen wir sofort den
nichteinheimischen Journalisten orten, als Belehrung empfinden, was er
vielleicht so gar nicht beabsichtigt. Ein paar Beispiele: „vor Ort“, „außen vor“, „auf die Reihe kriegen“, „den“ statt „die Schneid abkaufen“, „keinen
Hehl“ anstelle von „kein Hehl
daraus machen“, usw. usw.
ORF geht mit gutem Vorbild voran
Nicht ohne Neid hört und
sieht man den ORF. Hier zollt man der Sprache noch Respekt. Nehmen Sie eine
einzige Nachrichtensendung: Sie hören ein gepflegtes, modernes, ästhetisch
angenehmes Hochdeutsch, praktisch auch ohne Versprecher. Die Texte sind schon
stilistisch eine Freude, meist frei von Verstrickungen mit Partizipien.
Vorgetragen werden die Meldungen deutlich, nicht verhaspelt, die Stimme
ausgesucht, freundlich, ausdrucksvoll, professionell geschult, das Niveau von
exzellenten Schauspielern. Der Eindruck kommt nicht auf, daß es sich vielleicht
um Studenten handelt, die einen Job im Schnelldienst erhalten haben. Ist
Österreich die sprachliche Heimat der hochdeutschen Sprache geworden? Man muß
geradezu beten, daß diese Situation bleibt. Unvorstellbar, im ORF norddeutsche
Stimmen hören zu müssen mit dem unerträglichen Sprachkram wie „die Tagesthem“,
„hat das Finale gewonn“,
„die Vereinten Nation“, „der Innausschuß“,
„die Flegeversicherung“,
„Schmuddelwetter“, „Herzlich willkomm!“, „vürzich“, „fümmunvürzich“, „tschüss bis dann!“. Schade ist nur, daß der ORF nur ca.
10 % Selbergemachtes bringt, der Rest ist das gleiche
- norddeutsch produzierte oder synchronisierte großdeutsche Einheits-TV.
Man muß sich einmal
vorstellen, im Norden wäre es ähnlich. Mehr als die Hälfte der Bewohner würden
aus Bayern oder Baden-Württemberg zuziehen und in Presse, Funk und Fernsehen
würde fast nur noch gebaiert werden. Für alle ein undenkbarer
Gedanke.
Das Erbe der Römer und der Goten
So um das Jahr 500, als
Bayern entstanden ist, da haben sich in dem Land zwischen Donau und Gebirge
eine ganze Menge der unterschiedlichsten Völkerschaften herumgetrieben. Bayern
ist ja nicht menschenleer gewesen; beim Abzug der Römer sind viele ehemalige
„Besatzer“ im Land geblieben und die romanisierte keltische Urbevölkerung war
auch noch da, dann noch Alemannen zum Beispiel und Thüringer. Die beiden
Supermächte unter diesen Völkern aber waren die Franken im Nordwesten und die
Ostgoten im Südosten und Süden. Und die haben sich um das Land vor den Alpen
gestritten. Da ist es ziemlich wahrscheinlich, daß Theoderich, König der
Ostgoten, mitgeholfen hat, aus dem Völkerdurcheinander in diesem Land ein Volk
zu machen, um ein starkes Bollwerk gegen die feindlichen Franken zu haben: Die
Bajuwaren. Der jüngste Sproß unter den Völkern dieser Zeit. Jetzt aber zur
Sprache.
Der Butter
heißt in Bayern heute noch der Butter und nicht die Butter. Weil das Wort Butter vom lateinischen männlichen butyrus kommt und
Senner kommt vom lateinischen Wort senior.
Warum heißt in Bayern ein kleines Brot nicht Brötchen, sondern Semmel?
Einfach darum, weil es aus Weizenmehl war. Und den Weizenanbau haben wir auch
von den Römern, bei denen das Weizenkorn semula geheißen hat. Die anderen
haben nur den groben Roggen gekannt. Für die war halt ein kleines Brot nichts besonderes. Halt bloß ein Brötchen.
So schnell haben die gar nicht schauen können, haben wir schon wieder was
dazugelernt.
Von den Griechen und
größtenteils griechische Dialekte sprechenden Ostgoten haben wir Sachen, die
heute noch wichtig sind. Die Dult, das bairische Wort für Volksfest, kommt vom
gotischen „dulth”.
Oder die Maut, das Wort für Straßenzoll, heißt gotisch „mota”. Die Benennung einiger
Wochentage im Bairischen kommt auch von den Ostgoten. Die Germanen ehren am
Donnerstag alle den Wettergott Donar oder Thor. Im Bairischen heißt der
Donnerstag Pfinzta(g). Und das kommt über das gotische vom
griechischen Wort „pente”,
das bedeutet fünf. Der Donnerstag ist halt der fünfte Tag in der Woche. Oder
der Dienstag. Der heißt Irta(g) im Bairischen. Zu Ehren des griechischen
Kriegsgottes Ares. Bei den Germanen hat der Kriegsgott Ziu geheißen, deswegen
Dienstag. Beim Samstag ist es genauso. Sambaton heißt
der Samstag griechisch. Wir haben uns halt nicht lang beim Schmiedl
aufgehalten, sondern uns gleich beim Schmied, der großen griechischen
Kulturnation, bedient. Diese Einflüsse dürfen nicht unterschätzt werden.
Es gäb
noch viele weitere Beispiele auch aus dem Französischen oder dem Lateinisch-, Ladinisch-, Italienischen (siehe die Beilagen). Sie haben
es sicher schon gesehen, das Bairische ist (heute leider eher war) eine
ehrwürdige eigenständige Sprache mit einem eigenen Wortschatz. Und doch glauben
die meisten, das sogenannte Hochdeutsche sei feiner als das Bairische. Und
deswegen sagen z.B. heute die meisten Leute Quark
statt Topfen.
Dabei kommt das Wort Quark aus dem
slawischen Tuwarc
und bedeutet geronnene Stutenmilch. Solche Worte wie Topfen oder Schlagrahm
halten viele für österreichisch, dabei gibt es das Österreichische an sich
nicht. Die Österreicher reden nämlich, wie auch die Südtiroler, verschiedene
südbairische Mundarten. Die Oberpfälzer reden nordbairisch und die Ober- und
Niederbayern reden mittel- und teilweise auch noch südbairisch.
Der Bayer – vom Aussterben bedroht?
Im gesamten bairischen
Sprachraum, also von der Oberpfalz bis nach Salurn in
Südtirol werden heute noch ca. 500 verschiedene Mundarten und das vom nördlichen
teilweise erheblich unterschiedliche südliche Hochdeutsch gesprochen. Nördlich
z.B. Böttcher - südl.
Schäffler, Tischler - Schreiner, Apfelsine
- Orange, Rote Beete - Rote Rüben, Bulle
- Stier oder die Eins, die Fünf - der Einser, der Fünfer,
geh mal hoch - gehe einmal hinauf
usw. usw. Auch die Betonung ist sehr oft unterschiedlich z.B. nördlich Oberlandesgericht - südlich Oberlandesgericht,
Südtirol - Südtirol usw.
Der überstarke Zuzug seit
den letzten 50 Jahren hat dazu geführt, daß nur noch ca. die Hälfte der
Bewohner Bayerns auch bei uns geboren ist. Von den gebürtigen
Bayern fühlen sich nur gut 50 % als Bayern und auch bei denen erziehen sehr
viele ihre Kinder nicht in der Muttersprache, sondern in sehr stark nördlich
geprägtem Deutsch, das von den meisten für korrektes Hochdeutsch gehalten wird.
Von Jugendlichen unter 16 Jahren sprechen grad noch 1
- 5 % bairischen Dialekt oder unser südliches Hochdeutsch.
Einige Beispiele in
verschiedenen „Dialektabstufungen“, die eigentlich jeder dialektsprechende
Bayer vom Kleinkind an (heute leider nur noch ca. 20% der gesamten Bevölkerung)
beherrscht.
A.
1.
An Irda, bois Weda aso dai
is, mechd i anouschd gon Oim roasn.
2.
An Deansdog, wenns Weda sche is, mechd
i irgendwo auf d'Oim geh.
3.
Am
Dienstag, wenn das Wetter es zuläßt, möchte ich irgendwo auf eine Alm gehen.
4.
Bei
schön Wetta lauf ich am Dienstach zur Alm hoch.
B.
1.
As billan bois ge ofangd,
na mua i
ada Lahm am d'Wasch owa doa.
2.
Wenns hagln jetzt dann ofangt,
na muaß i an Balkon om d'Wasch owa doa.
3.
Wenn
es jetzt dann anfängt zu hageln, muß ich die Wäsche vom Balkon nehmen.
C.
1.
Adiam is scho
gro Weda wan, boi ma gon
haagn hergrichd hän.
2.
Ab
und zua is scho schlechd Weda worn, wenn ma zum haagn hergrichd hän.
3.
Manchmal
ist das Wetter schon schlecht geworden, wenn wir mit dem Heuen beginnen
wollten.
D.
1. Bois auf Nocht hoada wead,
kannts ge hai wean a.
2. Wenns auf d
Nocht klar wead, kunts no glatt wean.
3. Wenn es nachts aufklart, ist mit
Eisglätte zu rechnen.
E.
1. As schneim bois
ge ofangt, miaßma ins schleina.
2. Wenns jetzt dann s schneim ofangt, miaßma uns schigga.
3. Wenn es jetzt dann zu schneien beginnt, müssen wir uns
beeilen.
Erklärung:
1.
Regional
begrenzte Mundart (Ortsdialekt Leitzachtal
- Miesbacher Oberland)
2.
Überregionale
Mundart, wird fast im gesamten bairischen Sprachraum verstanden
3.
Hochdeutsch
ohne südliche Färbung
4.
Norddeutsch,
wird leider auch von vielen Bayern für Hochdeutsch gehalten.
Der Förderverein ist für
die Vielfalt der deutschen Sprachen und für die weit mehr als tausend Dialekte.
Ein Hochdeutsch-Sprecher in Zürich, Bozen, Erfurt, Miesbach oder auch in
Ostfriesland redet immer richtiges Hochdeutsch, es hat halt die landesbedingte
Färbung in Betonung und Wortschatz. Goethe, Mozart oder Bach redeten auch so;
Vielfalt ist eben besser als Einfalt.
In Bayern soll natürlich
auch, wie seit Jahrhunderten im bairischen Deutsch, so eine Art südliches
Hochdeutsch mit unserem Wortschatz, so wie der Brief, den Sie grad lesen,
geschrieben werden. Die ersten Zeugnisse deutscher Literatur überhaupt sind ja
in Baiern entstanden: Wessobrunner
Gebet, Muspilli, Nibelungenlied, Meier Helmbrecht
usw.
Dialekte sind nicht nur
bei uns, sondern weltweit zu erhalten. Es ist schade um das Sterben der Tiere,
Pflanzen und auch aller Minderheitensprachen.